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Autor: | Adolf Heller |
Thema: | Wo ihr Wurm nicht stirbt... |
Inhalt:
Einleitung
I. Zeugnisse der Schrift
über Israel
1. Israels
Wunde ist unheilbar
2. Israel wird weder
aufstehen, noch aufgerichtet werden
3. Niemand tröstet
Israel
4.
Niemand verlangt
Israel wieder heraus
II. Zeugnisse der Schrift
über Nationen
1. Die
Glut des Zornes Gottes vernichtet Elam
2. Niemand wird die
vertriebenen Ammoniter sammeln
3. Assur wird
hinweggeschreckt für immer und umkommen
4. Moab wird vertilgt
werden, dass es kein Volk mehr sei
5. Für Ägypten gibt es
kein Pflaster
6. Sodom
und Gomorrha leiden ewigen Feuers Strafe
III. Die zerborstene Erde
steht nicht wieder auf
IV. Wer in den Scheol
hinabfährt, steigt nicht wieder herauf
V. Die Herrschaft des
Menschensohnes ist unvergänglich
VI. Der Wurm der Hölle
stirbt nicht
Schluß
Wer die gewaltige Wahrheit
bezeugt, dass Gott Sein Ziel mit der gesamten Schöpfung einmal erreichen und
alles in Seine Herrlichkeit hineingestalten wird, dem wird als stärkster Einwand
immer wieder das Wort des Herrn Jesu entgegengehalten: "Wenn dein Auge dich
ärgert, so wirf es weg. Es ist besser, einäugig in das Reich Gottes einzugehen,
als mit zwei Augen in die Hölle des Feuers geworfen zu werden, wo ihr Wurm nicht
stirbt und ihr Feuer nicht erlischt" (Mark. 9, 47.48). Man glaubt damit
bewiesen zu haben, dass das Endgeschick für eine Reihe von Geschöpfen entweder
gänzliche Auflösung ihrer Existenz oder unaufhörliche Qual sein müsse. Denn, so
sagt man in scheinbar aufrichtiger Treue zu diesem ernsten Zeugnis aus dem Munde
des Herrn, wenn der Wurm nicht stirbt, so nagt er endlos weiter, und wenn die
Flamme nicht erlischt, so brennt sie unaufhörlich.
Wir wollen nicht davon reden,
dass dieses Wort den Schlußversen des Propheten Jesaja entnommen ist und zu
einer Zeit seine Erfüllung findet, da es noch Sabbate und Neumonde gibt (Jes.
66, 23), also keineswegs den Endzustand kennzeichnet, in dem nach Offb. 22, 5
keine Nacht mehr sein wird, – davon wollen wir nicht reden. Wir können die
ernsten Bedenken derer verstehen, die betonen, dass in Mark. 9 nicht von der
Gehenna vor den Toren Jerusalems die Rede ist, sondern von der Feuerhölle, für
die die Gehenna nur ein zeitliches, irdisches Abbild ist. Die viele denkende
Kinder Gottes bewegende Frage nach endloser Verdammnis, Vernichtung oder
Allversöhnung wollen wir im Blick auf das Wesen und den Charakter Gottes
schriftgemäß zu beantworten versuchen.
Es gibt im Wort der Wahrheit
Aussagen über Sachen und Dinge, Zustände und Verhältnisse, Engel, Dämonen und
Menschen, es gibt aber auch Zeugnisse, die die Person, den Willen und das Wesen
Gottes betreffen. So wird uns z. B. in Lukas 18, 27 klar bezeugt, dass das, was
bei Menschen unmöglich ist, bei Gott durchaus möglich ist. Wenn also in
irgendwelcher Hinsicht über eine Sache, einen Zustand oder ein Geschöpf ein
"unmöglich" ausgesagt ist, so ist damit keineswegs bewiesen, dass auch Gott
nicht willens oder imstande ist, dieses "unmöglich" zu durchbrechen und in sein
Gegenteil zu verkehren. Das Wesen des Glaubens besteht ja gerade darin, mit dem
in Seiner Allmacht und Liebe begründeten Vermögen Gottes zu rechnen, wo im Blick
auf die Schöpfung und kreatürliche Verhältnisse ein scheinbar unüberwindliches
"unmöglich" vorliegt.
Dass an vielen Stellen der
Schrift von irgendwelchen Zuständen ein "nie", "niemand" oder "unmöglich"
ausgesagt ist und dennoch eine von Gott bewirkte Änderung, Heilung, Rettung und
Wiederherstellung eintritt, sei an einer Reihe von Beispielen gezeigt. Möchten
die wenigen Zeugnisse, die noch um viele vermehrt werden können, dazu dienen,
dass wir Gottes Wort gründlicher kennen und damit unsern Vater der
Barmherzigkeit und Herrlichkeit besser lieben lernen, damit unsre Hingabe an Ihn
und unsre Gemeinschaft mit Ihm vollendet werde auf den nahen Tag Christi!
1. Israels
Wunde ist unheilbar
"So spricht der Herr: Deine
Wunde ist unheilbar, schmerzlich ist dein Schlag; niemand führt deine
Streitsache; für das Geschwür gibt es keine Heilmittel, da ist kein Pflaster für
dich"
(Jer. 30, 12-13).
In diesem Gottesausspruch
lesen wir vier eindeutige Verneinungen bezüglich der Wiederherstellung Israels:
"Unheilbar" ist seine Wunde; "niemand" führt seine Streitsache; "keine
Heilmittel" gibt es für sein Geschwür; "kein Pflaster" ist da für das
abgefallene Volk der Wahl.
Darf man auf Grund solch
klarer Schriftzeugnisse es noch wagen, an eine Heilung Israels zu glauben? Wenn
wir sonst keinerlei Aussagen über die Zukunft des Volkes der Wahl hätten als
diese beiden Verse aus Jer. 30, so wäre freilich jedes Zeugnis von der
Zurechtbringung und Segensstellung Israels bloße Spekulation. Aber wir lesen im
17. Vers des gleichen Kapitels: "Ich will dir einen Verband anlegen und dich von
deinen Schlägen heilen, spricht der Herr."
Welche Schriftaussage ist nun
wahr? Die in den Versen 12 und 13 oder die im 17. Vers? Beide scheinen doch nach
unsern menschlichen Denkgesetzen einander auszuschließen! Was sollen wir davon
halten? Zuerst lesen wir von der Unheilbarkeit Israels, und dann bezeugt die
Schrift, dass doch eine Heilung stattfinden soll. Ist Gott etwa ein Lügner? Das
sei ferne! Finden wir Widersprüche im Wort der Wahrheit? Mitnichten! In Vers 12
lesen wir eine Aussage über Israels Wunde (in Markus 9 eine solche über Wurm und
Feuer der Hölle!): sie ist unheilbar. In Vers 17 finden wir hingegen etwas über
den Willen und das Wesen Gottes bezeugt, die durch keinerlei kreatürliche
Zustände und Verhältnisse beschränkt werden können. Gott heilt "unheilbare
Wunden" und nimmt Sich derer an, deren Streitsache "niemand" führt. Fürwahr, Er
ist allmächtig, und Er ist Liebe. Der Glaube, der in Gottes Willen und Wesen
wurzelt, vermag solches zu fassen und darüber anzubeten.
2. Israel
wird weder aufstehen, noch aufgerichtet werden
"Sie ist gefallen, die
Jungfrau Israel, sie wird nicht wieder aufstehen; sie liegt hingeworfen auf
ihrem Lande, niemand richtet sie auf" (Amos 5, 2).
Dieses Zeugnis enthält ein
Doppeltes: erstens vermag Israel aus eigener Kraft nicht wieder aufzustehen, und
zum andern ist niemand da, der es wieder aufrichtet. Von wem sollte da dem
erwähnen Volke Heil und Rettung kommen, wenn es weder aus sich selbst noch durch
irgend welche Hilfe von außen eine Änderung seiner hoffnungslosen Lage erfahren
kann? Wenn wir nur diese Aussagen über kreatürliche Zustände betrachten und die
Verheißungen außer acht lassen, die bezüglich der Person unsres großen,
allmächtigen Rettergottes gegeben sind, so müssen wir eine Wiederherstellung
Israels als "Irrlehre" ablehnen. Die Schrift bezeugt jedoch, das Gott einmal
ganz Israel und nicht nur einen kleinen Bruchteil retten wird (Römer 11,
26).
In der Tat führten und führen
alle noch so wohlgemeinten Versuche der Nationen, Israel wiederherzustellen,
nicht zu den, verheißenen Ziel. Gott Selbst hat es Sich vorbehalten, Sein Volk
zur Zeit des Endes durch Gericht und Gnade zu retten und all das an ihm und
durch es aus- und durchzuführen, was Er verheißen hat. Dieses Hochziel, ein
Segen zu sein für die ganze Erde, kann Israel weder aus eigener Kraft noch durch
die Hilfe der Nationen erreichen. Erst wenn die gottgesetzte Stunde schlägt,
wird auf zuvorbestimmte Art und Weise das Heil des erwählten Volkes in
wunderbarer Weise erfüllt. Dann wird der Fluch von Klagelieder. 4, 13-15 und 3,
42-45 aufgehoben sein, der so ergreifend Israels Sünde und deren Folgen
schildert: "Es ist wegen der Sünden seiner Propheten, der Missetaten seiner
Priester, welche in seiner Mitte das Blut der Gerechten vergossen haben. Sie
irrten blind auf den Straßen umher; sie waren mit Blut befleckt, so, dass man
ihre Kleider nicht anrühren mochte. 'Weichet! Unrein!', rief man ihnen zu,
'weichet, weichet, rühret nicht an!' Wenn sie flüchteten, so irrten sie umher;
man sagte unter den Nationen: 'Sie sollen nicht länger bei uns weilen!'" – "Wir,
wir sind abgefallen und sind widerspenstig gewesen; Du hast nicht vergeben. Du
hast Dich in Zorn gehüllt und hast uns verfolgt; Du hast hingemordet ohne
Schonung. Du hast Dich in eine Wolke gehüllt, so dass kein Gebet hindurchdrang.
Du hast uns zum Kehricht und zum Ekel gemacht inmitten der Völker."
Noch gilt Klagelieder 2,
13-15: "Was soll ich dir bezeugen, was dir vergleichen, Tochter Jerusalem? Was
soll ich, dir gleichstellen, das ich dich tröste, du Jungfrau, Tochter Zion?
Denn deine Zertrümmerung ist groß wie das Meer; wer kann dich heilen? Nichtiges
und Ungereimtes haben deine Propheten dir geschaut; und sie deckten deine
Ungerechtigkeit nicht auf, um deine Gefangenschaft zu wenden; sondern sie
schauten dir Aussprüche der Nichtigkeit und der Vertreibung. Alle, die des Weges
ziehen, schlagen über dich die Hände zusammen, sie zischen und schütteln ihren
Kopf über die Tochter Jerusalem: Ist das die Stadt, von der man sagte: der
Schönheit Vollendung, eine Freude der ganzen Erde?"
Und doch ist es von Gott,
wenn Israel einen solchen Weg der Schmach und Unterdrückung gehen muß. Nachdem
das Volk des Herrn in seiner Not weder aus eigener Kraft noch bei seinen
Bundesgenossen unter den Nationen, an denen es immer wieder enttäuscht wurde,
Rettung und Hilfe fand, wird es zur Zeit des Endes sein Heil vom Herrn Selbst
erwarten.
Auch davon singen die
Klagelieder in diesem kurzen, ergreifenden Büchlein: "Gedenke meines Elendes und
meines Umherirrens, des Wermutes und der Bitterkeit! Der Herr verstößt nicht
ewiglich; sondern wenn Er betrübt hat, erbarmt Er Sich nach der Menge Seiner
Gütigkeiten. Denn nicht von Herzen plagt und betrübt Er die Menschenkinder.
Prüfen und erforschen wir unsre Wege (oder: unser Wesen!), und laßt uns zu dem
Herrn umkehren! Laßt uns unser Herz samt den Händen erheben zu Gott im Himmel!
Alle unsre Feinde haben ihren Mund gegen uns aufgesperrt. Grauen und Grube sind
über uns gekommen, Verwüstung und Zertrümmerung. Mit Wasserbächen rinnt mein
Auge wegen der Zertrümmerung Tochter meines Volkes. Mein Auge ergießt sich
ruhelos und ohne Rast, bis der Herr vom Himmel niederschaue und dareinsehe" (3,
19.31-33.40.41.46-50).
Endlich wird doch das Jahr
der Erlösung kommen und das Schreien des abtrünnigen und dennoch erlebten Volkes
erhört werden: "Gedenke, Herr, dessen, was uns geschehen ist, schaue her und
sieh unsre Schmach! Unsre Verfolger sind uns auf dein Nacken, wir ermatten, man
läßt uns keine Ruhe. Ägypten unterwerfen wir uns und Assyrien, um mit Brot
gesättigt zu werden. Herr, bringe uns zu Dir zurück, dass wir umkehren, neuere
unsre Tage wie vor alters!" (5, 1.5.6.21)
Was Israel weder selber kann
noch durch andre vermittelt bekommt, tut zu Seiner Zeit und auf Seine Weise Gott
Selber. Jedem geschöpflichen "nie", "niemand" und "unmöglich" setzt Er Sein
heiliges, majestätisches "Ich aber" sieghaft entgegen.
"...da ist niemand, der sie
tröste..." (Klagel. 1, 9)
Wir müssen stufenweise an
allen Geschöpfen und an allem Geschöpflichen zweifeln und verzweifeln lernen,
bis wir als letzten und einzigen Ausweg den Weg durch Christus zum Vater finden.
Dann offenbart Sich uns Gott fortschreitend in immer herrlicherer Klarheit und
Tiefe als der "Gott allen Trostes" (2. Kor. 1, 3), der uns "nichts Gutes
vorenthält" (Ps. 84, 11).
Wenn Jeremia klagt, dass
niemand da ist, der Israel tröste, so ist Gott davon ausgenommen, denn wir lesen
an vielen andern Stellen der Schrift, in welch unwandelbarer Treue zu Seinen
eignen Verheißungen Gott Sein Volk der Wahl am Ende seiner Irrwege einmal
trösten und segnen wird. Gebietet Er doch in Jes. 40, 1.2: "Tröstet, tröstet
Mein Volk, spricht euer Gott. Redet zum Herzen Jerusalems und rufet ihr zu, dass
ihre Mühsal vollendet, dass ihre Schuld abgetragen ist, das sie von der Hand des
Herrn Zwiefältiges empfangen hat für alle ihre Sünde."
Auf doppelte Sünde (Jer. 2,
13) folgte doppelte Strafe, und dieser doppelten Strafe folgt darum auch
doppelter Trost: nicht "tröstet!", sondern "tröstet, tröstet" ruft Gott aus
liebendem Herzen. Wie köstlich und ergreifend ist die Trostverheißung von Jes.
57, 16-18: "Ich will nicht ewiglich rechten und nicht auf immerdar ergrimmt
sein; denn der Geist würde vor Mir verschmachten und die Seelen, die Ich ja
gemacht habe. Wegen der Missetat seiner Habsucht ergrimmte Ich und schlug es,
indem Ich Mich verbarg und ergrimmt war, und es wandelte abtrünnig auf dem Wege
seines Herzens. Seine Wege habe Ich gesehen und werde es heilen; Ich werde es
leiten und Tröstungen erstatten, ihm und seinen Trauernden."
Gott sieht die Sündenwege
Seines Volkes in der Abtrünnigkeit ihrer Herzen; aber Er will nicht quälen und
vernichten, sondern heilen und trösten! Fürwahr, ein wunderbarer Gott! Und
selbst da, wo Er Israel demütigt und versucht, hat Er verborgene
Liebesabsichten, wie wir z. B. in 5. Mose 8, 16 lesen: "Gott speiste dich in der
Wüste mit Manna, welches deine Väter nicht kannten, um dich zu demütigen und um
dich zu versuchen, damit Er dir wohltue an deinem Ende (oder: in deiner
Zukunft)." Wer diese heilige Zweckbestimmung der Leiden und Gerichtswege erkannt
hat, lernt auch in Ängsten und Nöten an Gottes Treue glauben und unbedingt daran
festhalten. –
4. Niemand
verlangt Israel wieder heraus
"Niemand spricht: Gib wieder
heraus!" (Jes. 42, 22b)
Kein Volk der Erde hat den
Zorn Gottes so stark ertragen müssen wie Israel. Der Herr Selbst hat Israel den
Plünderern und den Räubern preisgegeben (Jes. 42, 24). Geradezu ergreifend ist
die Klage, die wir in Jes. 42, 22 lesen: "Es (Israel) ist ein beraubtes und
ausgeplündertes Volk; sie sind in Löchern gefesselt und allesamt in Kerkern
versteckt; sie sind zur Beute geworden, und kein Erretter ist da, zur
Plünderung, und niemand spricht: Gib wieder heraus!"
"Niemand spricht: Gib wieder
heraus!" Man könnte daraus schließen, dass es keine Macht gibt, die gewillt
wäre, eine Befreiung des völlig dem Verderben preisgegebenen Volkes
herbeizuführen oder nur herbeizuwünschen. Denn nach unserm natürlichen Denken
schließt der Begriff "niemand" alles und jedes Geschöpf aus. Nur auf dieses Wort
gestützt, erscheint eine Wiederherstellung des Volkes der Wahl ganz unmöglich.
Doch gilt es auch hier das "wiederum stehet geschrieben!" zu beachten. Denn
wenige Verse später, in Jes. 43, 6 verheißt der Herr: "Ich werde zum Norden
sagen: Gib heraus! und zum Süden: Halte nicht zurück! Bringe Meine Söhne von
fern her und Meine Töchter vom Ende der Erde!" Um die ganze Tiefe und Schönheit
dieses scheinbaren Widerspruchs zwischen diesen beiden Zeugnissen "Niemand
spricht: Gib wieder heraus!" und "Ich werde sagen: Gib heraus!" zu sehen, müssen
wir den Schluß des 42. und den Anfang des 43. Kapitels beachten. Der letzte Vers
des ersteren Kapitels spricht von der Glut des Zornes Gottes und von der Gewalt
des Krieges, die Er ausgießt, die aber wirkungslos waren auf das verstockte
Volk. Nach menschlichem Ermessen müßte nun ein Fluchwort endgültiger Verwerfung
erfolgen. Was aber geschieht? Das gerade Gegenteil! Mit tiefer Bewegung des
Herzens kann man die Worte lesen. die das innerste Liebeswesen Gottes, Sein
uferloses Erbarmen, enthüllen. Zeugnisse solch brünstiger Zuneigung an schier
vernichtete und dennoch verhärtete Menschen gehen über unser Verstehen hinaus.
Sie sind unserm natürlichen Empfinden einfach unverständlich. Doch schlagen wir
sie nach und lassen wir uns durch sie einen Blick in Gottes von Liebe
überwallendes Vaterherz schenken!
"Wer unter euch will
aufmerken und in Zukunft hören? ... Sie wollten nicht auf Seinen Wegen wandeln
und hörten nicht auf Sein Gesetz. – Er (Jakob-Israel) ist nicht zur Erkenntnis
gekommen ... Er nahm es nicht zu Herzen. Und nun, so spricht der Herr, der dich
geschaffen, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn
Ich habe dich erlöst, Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist Mein. Wenn
du durchs Wasser gehst, Ich bin bei dir, und durch Ströme, sie werden dich nicht
überfluten, wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt werden, und die
Flamme wird dich nicht verbrennen. Denn Ich bin der Herr, dein Gott, Ich, der
Heilige Israels, dein Heiland; Ich gebe als dein Lösegeld ' Ägypten hin,
Äthiopien und Seba an deiner Statt. Weil du teuer, wertvoll bist in Meinen Augen
und Ich dich lieb habe, so werde Ich Menschen hingeben an deiner Statt und
Völkerschaften anstatt deines Lebens. Fürchte dich nicht! Denn Ich bin mit dir!"
(Jes. 42, 23 – 43, 5a).
Über dem geschöpflichen
"niemand" steht auch hier Gottes "Ich aber!" Wer will Ihn darob tadeln? Er, dem
nichts unmöglich ist und dessen Liebe niemals aufhört, steht hoch über allen
Wesen und Welten des Lichtes und der Finsternis. Nichts und niemand vermag Ihn
abzuhalten, das zu tun, wozu Sein Herz der Liebe Ihn drängt und treibt und was
Er bei Sich Selbst geschworen hat. Und wenn alles gegen Seine Auserwählten zu
sein scheint, ja, wenn unser eignes Herz uns verdammt, halten wir uns doch an
diesen großen, wunderbaren "Ich aber", dessen Wesen, ob auch Seine Wege noch so
dunkel scheinen, lauter Licht und Liebe ist.
1. Die Glut des Zornes Gottes
vernichtet Elam
"Ich werde Elam verzagt
machen vor ihren Feinden und vor denen, welche nach ihrem Leben trachten, und
werde Unglück über sie bringen, die Glut Meines Zornes, spricht der Herr; und
Ich werde das Schwert hinter ihnen hersenden, bis Ich sie vernichtet habe"
(Jer.
49, 37).
Hier bezeugt der Herr, das Er
so lange Zorn und Gericht über Elam bringt, bis Er es vernichtet hat. Was ist
wohl noch übrig von Elam, wenn es vernichtet ist? Vermag man das, was nicht mehr
da ist, wiederzubringen?
Ein Geschöpf kann das
freilich nicht; aber unser großer, allmächtiger Vatergott vermag das sehr wohl.
Denn wir lesen zwei Verse später: "Aber es wird geschehen, am Ende der Tage, da
werde Ich die Gefangenschaft Elams wenden, spricht der Herr." Darum heißt auch
Gott der "Wiederbringer aus Toten" (Hebr. 13, 20, Anmerkung der Elberf.
Übersetzung). Wie hell enthüllt sich angesichts solcher Schriftzeugnisse der
wahre Charakter Gottes! Das "vernichtete" Elam wird am Ende seiner Tage aus
seiner Gefangenschaft geführt! Daraus lernen wir, dass Gott unter Vernichtung
nicht ein Aufhörenlassen des Seins versteht, sondern ein Zunichte- und
Zu-Nichts-Machen! Das ist aber etwas ganz anderes! Denn Gott führt Seine
Geschöpfe nicht ins Nichts, um sie aufhören oder zugrundegehen zu lassen,
sondern um sie zu erwählen.
Das bezeugt uns 1. Kor. 1,
28a. Dort lesen wir: "Das Unedle der Welt und das Verachtete der Welt hat Gott
auserwählt und das, was nichts ist." Das zu nichts Gewordene, das Vernichtete
wird auserwählt! Wie sind doch Gottes Wege und Gedanken so ganz anders als die
unseren! Das ersehen wir vielleicht am besten ans dem Gesetz des Aussatzes, das
wir in 3. Mose 13, 9-13 lesen: "Wenn ein Aussatz-Übel an einem Menschen
entsteht, so soll er zu dem Priester gebracht werden. Und besieht ihn der
Priester, und siehe, es ist eine weiße Erhöhung in der Haut und sie hat das Haar
in weiß verwandelt, und ein Mal rohen Fleisches ist in der Erhöhung, so ist es
ein alter Aussatz in der Haut seines Fleisches, und der Priester soll ihn für
unrein erklären; er soll ihn nicht einschließen, denn er ist unrein. Wenn aber
der Aussatz in der Haut ausbricht, und der Aussatz die ganze Haut dessen, der
das Übel hat, bedeckt, von seinem Kopf bis zu seinen Füßen, wohin auch die Augen
des Priesters blicken, und der Priester besieht ihn, und siehe, der Aussatz hat
sein ganzes Fleisch bedeckt, so soll er den, der das Übel hat, für rein
erklären; hat es sich ganz in weiß verwandelt, so ist er rein." Ein wenig
Aussatz macht also den Aussätzigen unrein. Ist aber der Aussatz so weit
fortgeschritten, dass nichts Reines mehr am Körper zu sehen ist, sondern die
tödliche, unheilbare Krankheit den ganzen Menschen bedeckt, so soll er für rein
erklärt werden. Das scheint im ersten Augenblick ein Irrtum, eine Torheit zu
sein. Und doch steckt darin eine tiefe, köstliche Wahrheit. Ein Mensch, der
erkannt hat, dass er auf dem einen oder andern Gebiet nicht rein ist, sich aber
sonst für ordentlich und wertvoll hält, ist der Errettung fern. Wer aber erkannt
hat, dass er durch und durch von der Sünde vergiftet ist, so dass nichts Reines
an ihm ist, vermag das Heil wirklich zu erfassen. Er wird von Gott für rein
erklärt. Nur was ganz bankrott, ganz zunichte geworden ist, wird erwählt. Das
Erwählte aber benützt Gott wiederum dazu, um das, was etwas ist, zunichte zu
machen, damit Er es auch erwähle (1. Kor. 1, 28b). So ist der Vernichtungsprozeß
im tiefsten Grunde nichts anderes als die notwendige Grundlage der Erwählung und
Zurechtbringung. Fürwahr, Gottes Gedanken sind höher als unsre kurzsichtige,
hartherzige religiöse Menschenmeinung. Wohl dem, der auch in Gerichts- und
Vernichtungswegen Gottes tiefstes Wesen, die Gnade, erkennt!
2. Niemand
wird die vertriebenen Ammoniter sammeln
"Siehe, Ich lasse Schrecken
über dich kommen von allen deinen Umwohnern, spricht der
Herr der Heerscharen; und ihr sollt weggetrieben werden, ein jeder vor
sich hin, und niemand wird die Flüchtigen sammeln" (Jer. 49, 5).
Wir haben es hier mit einem
ernsten Gerichtswort Gottes über Ammon zu tun. Und doch nimmt der Herr Sich
Selber aus, wenn Er drohend verheißt, dass "niemand" die Flüchtlinge sammle.
Denn schon im nächsten Vers lesen wir, dass Er am Ende der Tage, also in der
Letztzeit, die Gefangenschaft der Kinder Ammon wenden werde. Die Ammoniter
werden gleich allen andern z. T. schon ausgerotteten Nationen die
anbetungswürdige Wahrheit von Ps. 86, 9 erfahren: "Alle Nationen, die Du gemacht
hast, werden kommen und vor Dir, Herr, anbeten und Deinen Namen verherrlichen."
Welch ein gewaltiges Zeugnis!
Man hört manchmal in
christlichen Versammlungen, es sei ein Unterschied zu machen zwischen der
unbeschränkten Schöpfermacht und der beschränkten Rettermacht Gottes. Welch eine
Verkennung des Wesens und Charakters unsres Vaters der Herrlichkeit! Als ob
nicht auch die Rettung, die Neuzeugung und Geistgeburt ein Schöpferakt höherer
Ordnung wäre! In unserm Psalmwort wird ausdrücklich bezeugt, dass alle Nationen,
"die Du gemacht hast", kommen, anbeten und Gottes Namen verherrlichen werden. Da
aber ausnahmslos alle von Gott erschaffen sind, so werden sie auch alle das
Heilsziel erreichen. Der Psalter ist voll von dieser herrlichen Wahrheit.
Schlagen wir nur einige unzweideutige Zeugnisse nach:
Ps. 22, 27: "Es werden
eingedenk werden und zu dem Herrn umkehren alle Enden der Erde; und vor Ihm
werden anbetend niederfallen die Geschlechter der Nationen."
Ps. 51, 13b: "Die Sünder werden zu Dir umkehren."
Ps. 64, 9: "Es werden sich fürchten alle Menschen und das Tun
Gottes verkünden und Sein Werk erwägen."
Ps. 65, 2: "Hörer
des Gebets, zu Dir wird kommen alles Fleisch."
Ps. 67, 3:
"Es werden Dich preisen die Völker, o Gott, es werden Dich preisen die Völker
alle!"
Diese klaren Zusagen
hinsichtlich der Errettung aller Völker könnten um ein Vielfaches vermehrt
werden; der aufmerksame Bibelleser wird sie nicht nur im Psalter, sondern in
allen Büchern der Heiligen Schriften finden, wird sie glauben und Gott darüber
anbeten. –
3. Assur
wird hinweggeschreckt werden für immer und umkommen
Im 83. Psalm ist die Rede von
den Feinden Gottes. Unter ihnen wird im 8. Vers auch Assur oder Assyrien
genannt, das sich ihnen angeschlossen hat. Von Vers 14-17 betet Asaph (bzw.
Christus, der ja im tiefsten und letzten Grunde der Redende ist und von dem auch
der Psalter zeugt): "Wie Feuer den Wald verbrennt und wie eine Flamme die
Berge entzündet, so verfolge sie mit Deinem Wetter, und mit Deinem Sturmwinde
schrecke sie hinweg! Fülle ihr Angesicht mit Schande! Laß sie beschämt und
hinweggeschreckt werden für immer und mit Scham bedeckt werden und
umkommen!"
Wer diese Gerichtsforderungen
oberflächlich liest, könnte glauben, dass es für die, denen solches geschieht,
keine Rettung gibt. Assur soll gleich den anderen Feinden Gottes für immer
hinweggeschreckt werden und umkommen. Erst wenn wir die heilige Zweckbestimmung
dieser Vernichtungsgerichte kennen, vermögen wir Gott auch dafür zu preisen und
anzubeten, weil al le Seine Wege gerecht sind (5. Mose 32, 4).
Beachten wir die letzten drei
Verse des 83. Psalmes und unterstreichen wir das zweckbestimmende "damit“, das
uns die Frucht und das Ziel dieser Gerichtswege enthüllt! "Fülle ihr
Angesicht mit Schande, damit sie Deinen Namen, o Herr, suchen! Laß sie beschämt
und hinweggeschreckt werden für immer und mit Scham bedeckt werden und umkommen,
damit sie erkennen, dass Du allein, dessen Name Herr ist, der Höchste bist über
die ganze Erde."
Das Zuschandenwerden der
Feinde dient also dazu, dass sie Seinen Namen suchen. Was bedeutet es aber, den
Namen des Herrn zu suchen? Lesen wir darüber einige Schriftstellen, die uns das
göttlich erklären.
In Ps. 54, 1 steht
geschrieben: "Gott, durch Deinen Namen rette mich!" Im Namen, d. h. im Wesen
Gottes liegt Rettung. Das bezeugt auch Paulus, wenn er in 1. Kor. 6, 11
schreibt: "Ihr seid gerechtfertigt in dem Namen des Herrn Jesus." Um dieser
Rettung und Rechtfertigung teilhaftig zu werden, bedarf es nur des Anrufens des
Namens des Herrn, wie Römer 10, 13 bezeugt: "Jeder, der irgend den Namen des
Herrn anrufen wird, wird errettet werden." In Spr. 18, 10 lesen wir das
köstliche Wort: "Der Name des Herrn ist ein starker Turm; der Gerechte läuft
dahin (oder: dorthin) und ist in Sicherheit (oder: unerreichbar!)." Diesen
Namen, d. h. diesen starken Turm der Sicherheit, in dem man unerreichbar für den
Feind ist, suchen zuschandengewordene Menschen. Beschämte, Hinweggeschreckte,
Umgekommene (Ps. 83, 16.17) zu ihrem Heil und zu ihrer Rettung auf.
Wenn der Name des Herrn in
Hohelied 1, 3 ein "ausgegossenes Salböl" genannt wird, so liegt darin eine tiefe
Symbolik. Das Salben mit Öl spielt im Orient eine wichtige Rolle. Es ist schon
rein äußerlich ein Genuß (Ps. 92, 10b). So befand sich unter den Schätzen des
Hiskia auch "köstliches Öl" (Jes. 39, 2). Nicht nur die Geräte der Stiftshütte
und des Tempels wurden durch das heilige Öl Gott geweiht, auch Könige, Priester
und Propheten wurden mit dem nach genauen Vorschriften zubereiteten Öl gesalbt.
Darum ist das Salböl ein Bild für den Heiligen Geist der Freude (siehe das
Freudenöl in Ps. 45, 7 und Hebr. 1, 9!), der Heilung schafft und überfließende
göttliche Segnungen vermittelt. Heißt nicht unser Herr: Christus, d. h. der
Gesalbte?
Welche tiefe Bedeutung und
große Verheißung liegt also in der Zielsetzung des Zuschandenwerdens der Feinde
Gottes, wenn sie durch diesen Demütigungs- und Vernichtungsprozeß dahin kommen,
den Namen des Herrn zu suchen! Sie sollen ja dadurch erkennen, dass der Herr
allein der Höchste über die ganze Erde ist (Ps. 83, 17).
Erkenntnis Gottes ist aber
nach Joh. 17, 3 nichts Geringeres als das ewige Leben! Demnach sollen die
geschändeten, beschämten, für immer hinweggeschreckten, mit Scham bedeckten und
umgekommenen Feinde Gottes Rettung finden und ewiges Leben bekommen. Welche
gewaltigen Verheißungen und Zielabsichten göttlicher Liebe sieht hier der
Glaube, der aufs Wort merken lernt! –
4. Moab
wird vertilgt werden, dass es kein Volk mehr sei
Das 48. Kapitel des Propheten
Jeremia handelt von Moab. Man müßte sämtliche Stellen der Schrift bezüglich
Moabs nachlesen, um sich ein erschöpfendes Bild dieses unter Gottes Fluch
stehenden Volkes zu machen. Beachten wir den 42. Vers: "Moab wird vertilgt
werden, dass es kein Volk mehr sei." Auch hier finden wir wieder
Vertilgung und Vernichtung, die so weit gehen, dass Moab aufhört, als Volk zu
existieren. Und doch wird nach Vers 47 auch dieses durch Gottes Fluch und
Gericht vom Erdboden ausgerottete Volk einmal seine Gefängnisse im Totenreich
verlassen dürfen und zurück- und zurechtgebracht werden, wie geschrieben steht:
"Aber Ich werde die Gefangenschaft Moabs wenden am Ende der Tage, spricht der
Herr."
Erinnert uns dieses
gewaltige, alle menschlichen Möglichkeiten überwindende "Ich aber" nicht an das
"Gott aber" von Eph. 2, 4? Hier wie dort handelt es sich um solche, die tot sind
in Übertretungen und Sünden und die als Kinder des Zornes in keinerlei
Lebensbeziehung zu Gott stehen. In beiden Fällen erweckt Gott "Leben aus dem
Tode": dort auf dem natürlichen Boden des Nationallebens, indem Er ein
ausgerottetes, von der Erde verschwundenes Volk wiedererstehen läßt, und hier
für den Einzelnen, den Er im Geist lebendig macht und als Glied des
Christuskörpers mit dem verklärten Haupt in Lebensbeziehung bringt.
Der Gott, der nach Römer 4,
17 "das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre", vermag wohl die nicht mehr als
Volk bestehenden Moabiter, die Er "zerbrochen hat wie ein Gefäß, an dein man
kein Gefallen hat" (Jer. 48, 38), wieder ins Dasein zu rufen und ein Gefäß zu
Seiner Ehre und Verherrlichung aus ihnen zu machen. Auch sie werden gewißlich
dereinst "kommen, anbeten und Seinen Namen verherrlichen" (Ps. 86, 9)! Mag Gott
jetzt auch noch schweigen zum Untergang so vieler Völker, mögen die Schuld und
die Bosheit so vieler Geschöpfe die Liebes- und Rettermacht Gottes auch
scheinbar wirkungslos gemacht haben, Seine zurechtbringende und vollendende
Gnade wird dennoch ihr herzliches Ziel erreichen.
5. Für
Ägypten gibt es kein Pflaster
"Ägypten“ heißt auf deutsch
"Finsternis“ oder "im eingeschlossenen Land“ und ist ein Abbild jener finsteren
Regionen im Weltall, die, fern vom Lichte, Widerspenstige und Gottesverächter in
Elend und Eisen gefesselt beherbergen. So lesen wir in Ps. 107, 10-12: "Die
Bewohner der Finsternis und des Todesschattens, gefesselt in Elend und Eisen:
weil sie widerspenstig gewesen waren gegen die Worte Gottes und verachtet hatten
den Rat des Höchsten, so beugte Er ihr Herz durch Mühsal; sie strauchelten, und
kein Helfer war da." Es gibt also Bewohner der Finsternis, die im Schatten
des Todes in Elend und Eisen (ein Bild der Sünde!) gefesselt sind.
Wer sind sie? Vielleicht
Menschen und Völker. Vielleicht aber auch Wesen höherer Art. Wir wollen als
Beweis für diese Vermutung nur auf ein Wort hinweisen: auf den hier vorkommenden
Ausdruck "Rat des Höchsten“ im 11. Vers. Nach Ps. 89, 5-7 sind "in den Wolken“
(also nicht auf Erden!) "Söhne der Starken“. Das sind aber nach vielen
Schriftzeugnissen nicht Menschen, sondern Engel. Im Himmel gibt es einen
Ratkreis der Heiligen. Dem gehören keine Menschen, sondern Engel an, wie aus
mancherlei Stellen des Wortes Gottes hervorgeht. In ihrer Mitte ist Gott. Aber
nicht als liebender Vater der Barmherzigkeit, sondern "gar erschrecklich“, wie
der 7. Vers unsres Psalmes bezeugt. Denn jene höheren Welten des Lichtes und der
Finsternis kennen Ihn nicht als Vater, da Er zu keinem gesagt hat: "Du bist
Mein Sohn, heute habe Ich dich gezeugt."
Wenn es nun in Ps. 107, 11
heißt, dass die in Elend und Eisen gefesselten Bewohner der Finsternis den Rat
des Höchsten verachtet hatten, so gewinnt dieses Wort im Gesamtbild der Schrift
eine ganz besondere Färbung. Denn es können nur solche Wesen sein, die an
himmlischen Ratsversammlungen teilnehmen. Das aber ist die "Heerschar der Höhe",
die zur Rechten und Linken um den Thron Gottes steht (Hiob 1, 6; 2, 1; 1. Kön.
22, 19).
Auch der Ausdruck "der
Höchste" ist kennzeichnend. Jede Anrede Gottes enthüllt die Stellung und das
Bedürfnis des Geschöpfes, das sich an Ihn wendet, Unheilige erzittern vor dem
Heiligen; Befleckte fürchten den Reinen; Verlorene suchen den Retter; Schuldige
fliehen vor dem Richter; Knechte dienen ihrem Herrn, und Kinder bringen ihrem
Vater Liebe und Vertrauen entgegen. Zu dem "Höchsten" rufen solche, die nicht in
der Höhe, sondern in der Tiefe sind. Darum finden wir auch, dass Dämonen Gott
mit diesem Ausdruck bezeichnen. Lesen wir etwa Mark. 5, 7, wo sich folgender
Ausruf eines Besessenen findet: "Was habe ich mit Dir zu schaffen, Jesu, Sohn
Gottes, des Höchsten?" Oder denken wir an die Magd, die einen Wahrsagergeist
hatte, hinter Paulus und seinen Begleitern herging und schrie: "Diese Menschen
sind Knechte Gottes, des Höchsten, die euch den Weg des Heils verkündigen" (Apg.
16, 17).
Diese geistlichen
Finsternismächte werden durch Ägypten versinnbildlicht; denn wie Israel in
Ägypten gefangen und versklavt war, so stellt die gesamte Menschheit, die ganze
Völkerwelt, für die Israel der erstgeborene Sohn (2. Mose 4, 22) und das Vorbild
ist, unter der Gewalt der Finsternis, der Vollmacht des Feindes (Eph. 2, 2; Kol.
1, 13).
Was sagt nun die Schrift über
"Ägypten, diese Finsternis der Gottesferne“? Lesen wir das 46. Kapitel des
Propheten Jeremia! Da heißt es in der zweiten Hälfte des ersten Verses:
"Vergebens häufst du die Heilmittel; da ist kein Pflaster für dich!" Und
in Hes. 29, 9 droht Gott, dass "Ägypten zur Wüste und Einöde werden soll."
Hat ein Land, das zur Wüste und Einöde wird und für das es kein Pflaster
gibt, Aussicht auf Zurechtbringung? Nach unsrer menschlichen Meinung ganz gewiß
nicht. Ein verödetes Land, für das kein Heilmittel vorhanden ist, ist doch
sicherlich rettungslos verloren. Und doch lesen wir in Jes. 19, 22 das
wunderbare Verheißungswort: "Der Herr wird die Ägypter schlagen, schlagen und
heilen; und sie werden sich zu dem Herrn wenden, und Er wird Sich von ihnen
erbitten lassen und sie heilen."
Der Gerichtsprozeß des
Geschlagenwerdens ist also gleichzeitig ein Heilprozeß! Gott schlägt nicht, um
zu strafen und zu vernichten, sondern um zurechtzubringen und
wiederherzustellen. Das wird auch Ägypten, dieses Land der Gottesfeindschaft und
Finsternis, erfahren. Ägypten wird nicht nur wiederhergestellt werden und
gesegnet sein, sondern es wird auch seinerseits wieder für andere Völker der
Erde Heilsträger werden. Denn in Jes. 19, 24 steht geschrieben, dass Ägypten,
Assyrien und Israel "ein Segen inmitten der Erde sein werden".
Was Gott Ägypten verheißen
hat und an ihm tun wird, hat aber nicht nur geschichtliche Bedeutung, wiewohl
diese die ursprüngliche und grundlegende ist. Wie jede Verheißung, haben auch
die Zusagen betreffs Ägyptens persönlich-ichbezogenen, prophetischen und
symbolischen Sinn. Ägypten, das Land der Finsternis, das seine Befruchtung nicht
von oben her, vom Tau des Himmels, sondern von unten, vom Nilschlamm empfing,
von dem immer geschrieben steht: "hinab“ nach Ägypten, dieses Land ist Typ und
Vorbild für andre irdische Reiche und außerdem, symbolisch geschaut, für
himmlische bzw. höllische Gewalten der Finsternis, wie wir schon sahen. Was dem
Vorbild verheißen ist und getan wird, wird auch in größerem Maßstabe an allen
anderen, irdischen und überirdischen Organisationen der Finsternis und
Gottesfeindschaft seine Erfüllung finden. Welch tiefe, gewaltige Prophetie und
Symbolik sieht der Glaube in der Tatsache, dass das unter Gottes Fluch und
Gericht stehende Finsternisland Ägypten errettet und zum Segen gesetzt wird!
Wird doch der, dem am meisten vergeben ist, am meisten lieben! Und am meisten
vergeben werden muß dem, der am meisten gesündigt hat! Die vergiftete Logik
unsres bösen Herzens wird sich dieser köstlichen Ziel- und Füllewahrheiten nie
bemächtigen dürfen; es wäre zum eignen Verderben. Aber der demütige
Glaubensgehorsam darf sie im Geiste sehen und in Treue für die Heiligen Gottes
verwalten.
Nie soll man über diese Dinge
streiten. Wem Gott das Herz und den Blick öffnet für die Tiefenschau Seines
Wortes und die endlose Weite Seiner Verheißungen, möge sie in dankbarer Demut
fassen und nicht stolz darüber sein oder gar sie andern aufdrängen wollen. Das
wäre falsch und vom Übel. Gottgeschenktes Licht führt immer in die Anbetung und
in die Treue selbstlosen Dienstes, ohne Rücksicht darauf, ob die große Masse das
anerkennt oder schmäht. –
6. Sodom
und Gomorrha leiden ewigen Feuers Strafe
Einmal hat der Herr sowohl
gottlosen Engeln als auch gottlosen Menschen ein Beispiel Seiner Gerichte vor
Augen gestellt, indem Er Sodom und Gomorra "des ewigen Feuers Strafe leiden"
ließ (2. Petr. 2, 6; Judas 7).
Wer also wissen möchte, was
Gott Selbst unter "ewigen Feuers Strafe" verstanden haben will, der schaue das
Los Sodoms und Gomorras an. Nach landläufiger religiöser Meinung gibt es
keinerlei Entrinnen aus den Feuergerichten Gottes. Das zu glauben ist schon
deshalb töricht, weil nach 2. Petr. 3, 10 Himmel und Erde einem furchtbaren
Feuergericht unterzogen werden, dessen Ende nach dem 13. Vers keine
unaufhörliche Qual oder völlige Vernichtung, sondern eine wunderbare
Neuschöpfung sein wird. Das letzte Ergebnis aller Gerichte ist immer Reinigung,
Rettung und Wiederherstellung. Man lese aus der schier unerschöpflichen Fülle
biblischer Belege für diese Wahrheit nur einige Stellen wie: 1. Kor. 5, 5; Jes.
4, 4; 10, 22.23; Zeph. 3, 8.9; Hab. 2, 13.14; Hiob 37, 7; Jer. 30, 24.
Wenn also Sodom und Gomorra,
die gottgegebenen Beispiele ewiger Feuerstrafe für Engel und Menschen, je
wiederhergestellt werden sollten, so wäre damit auch die Errettung und
Zurechtbringung all derer garantiert, die sich nach Gottes eigenem Hinweis an
den beiden in Feuer untergegangenen Städten orientieren sollen. Nun lesen wir
aber in Hes. 16, dass Sodom und ihre Tochterstädte gerechtfertigt, aus dem
Gefängnis entlassen und zu ihrem früheren Zustande zurückkehren werden (Vers
51.53.55). Welch eine gewaltige Zusage bedeutet das für den Glauben!
Nach Hes. 16, 51 sind Samaria
und Sodom, die Schwestern der Hure Israel (Vers 44-46), dadurch gerechtfertigt,
dass Israel so viele Greuel verübte. Das ist eine eigenartige Rechtfertigung,
die gar nicht in unsre landläufigen Dogmen passen will. Aber so steht es
geschrieben und so wollen wir es glauben, auch wenn wir die letzten und tiefsten
Zusammenhänge noch nicht verstehen. Vers 53 bezeugt klar und unzweideutig, dass
Gott die Gefangenschaft, d. h. das Zerstört- und Ausgerottetsein Sodoms und
ihrer Tochterstädte, Samarias und ihrer Tochterstädte und diejenige Israels,
wenden wird. Das ist nichts Geringeres als Wiederherstellung aus dem totalen
Nichts! Vers 55 lehrt schließlich, das Sodom und ihre Tochterstädte, Samaria und
ihre Töchter und Israel und seine Töchter zu ihrem früheren Stande zurückkehren
werden. Das war aber ein Segensstand des Wohlergehens und der Fruchtbarkeit.
Dass diese Gegenden des Toten Meeres wieder wunderbar gesegnet sein werden,
ersehen wir aus Hes. 47, 1-12. Hier erweist Sich Gott als der große
Wiederbringer aus den Toten, wie auch der aramäische Text, die Septuaginta und
die Vulgata in der zweiten Hälfte von Hes. 16, 53 die in unseren deutschen
Übersetzungen fehlenden Worte enthalten: "Ich will wiederbringen!"
Wie werden einst die in
Gerichtsprozessen schmachtenden Wesen das gottgegebene Strafbeispiel Sodoms und
Gomorras studieren! Welch eine Gnade, dass wir das jetzt schon tun dürfen und so
den Liebescharakter unsres großen Rettergottes und Vaters der Barmherzigkeit
kennenlernen! Möchten wir in heiligen Treue auf das achten, was Gott in Seinem
Wort sagt und uns nicht durch irgendwelche menschlichen Meinungen abhalten
lassen, hinzugelangen zu "allem Reichtum der vollen Gewißheit des
Verständnisses, zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes, in welchem verborgen
sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis" (Kol. 2, 2.3).
Was wir von Israel und der
Nationenwelt gesehen haben, gilt auch von der Erde: sie hat in sich keinerlei
Fähigkeit, aus der Verwüstung herauszukommen. So lesen wir in Jes. 24, 19.20:
"Die Erde klafft auseinander, die Erde zerberstet, die Erde schwankt hin und
her; die Erde taumelt wie ein Trunkener und schaukelt wie eine Hängematte;
schwer lastet auf ihr ihre Übertretung; sie fällt und steht nicht wieder
auf."
Hier haben wir nur Aussagen über die Erde, so wie wir in Markus 9 nur Aussagen über den Wurm und das Feuer der Hölle haben. Die Erde ist derart mit Treubruch, Abfall und Frevel belastet, dass es ihr unmöglich ist, sich wieder zu erheben. Wollten wir nun nach der Methode verfahren, mit der man meist Markus 9 behandelt, so müßten wir folgern: da Jes. 24, 20 unzweideutig bezeugt, dass die Erde nicht wieder aufsteht, so gibt es keine Wiederherstellung der Erde.
Gewiß, die Schriftaussage des
Propheten bleibt in ihrem vollen Umfange bestehen. Aber, – und dieses große,
köstliche "aber“ vermag nur der Glaube zu sprechen – was der Erde unmöglich ist,
das vermag Gott. Darum lesen wir auch an verschiedenen Stellen des Wortes der
Wahrheit, dass Gott die Erde einmal neu schaffen wird (Offb. 21, 1; 2. Petr. 3,
13). Schon im Alten Testament verheißt Gott, dass Er einen neuen Himmel und eine
neue Erde schaffe (Jes. 63, 17).
So gewiß weder der Himmel
noch die Erde in sich die Möglichkeit und Fähigkeit der Erneuerung aus
innewohnenden Kräften haben, so gewiß ist es aber auch, dass diese Kräfte in
Gott vorhanden sind. Es ist aber ein gewaltiger und wesenhafter Unterschied, ob
der Optimist meint: "Es wird alles gut", oder ob der Herr verheißt: "Siehe, Ich
mache alles neu!" (Offb. 21, 5). Das unpersönlich-fatalistische "es" kann doch
auf gar keinen Fall gleichgesetzt werden mit dem heiligen, göttlichen
"Ich"!
Widerspricht denn der
Umstand, dass Gott Selbst einst zu Seiner Zeit die Erde neugestalten wird, der
Tatsache, dass sie aus eigner Kraft nicht aufzustehen vermag? Im Gegenteil!
Dadurch lernen wir erst verstehen, was Gnade ist. Die Allmacht der Liebe Gottes
vermag in unausdenkbarer Herrlichkeit das zu erfüllen, wozu jedwede Schöpfung,
Menschen oder Engel, Himmel, Erde oder Hölle, in sich völlig unfähig ist. –
Mit der gleichen
Berechtigung, mit der man behauptet, dass Wurm und Feuer der Hölle endlos
weiterwirken, könnte man sagen, dass kein einziges Geschöpf, das in das
Totenreich hinabfuhr, je wieder heraufgebracht werden könne. Denn in Hiob 7, 9
lesen wir: "Die Wolke schwindet und fährt dahin; so steigt, wer in das
Totenreich hinabfährt, nicht wieder herauf."
Ohne Zweifel liegt in keinem
einzigen Abgeschiedenen die Fähigkeit, aus eigener Kraft aus dem Scheol, dem
Totenreich heraufzusteigen. Denn die Schrift bezeichnet solche, die im Scheol
sind, als kraftlos, dahingestreckt, bedrängt, hingestreut, schattenhaft. So
lesen wir z. B. in Jes. 14, 9.10: "Der Scheol drunten ist in Bewegung um
deinetwillen, deiner Ankunft entgegen; er stört deinetwegen die Schatten auf ...
Sie alle heben an und sagen zu dir: Auch du bist kraftlos geworden wie wir, bist
uns gleich geworden." Im Totenreich ist Bewegung, weil ein Großer erwartet wird.
Die Verstorbenen, die als Schatten, Schlaffe oder Hingestreckte bezeichnet
werden, werden aus ihrem Dämmerzustand aufgeschreckt. Auch gibt es dort
"Mächtige" und "Könige der Nationen" (siehe Vers 9b!), die wohl im Todeszustand
keinerlei Herrschaft noch Gewalt mehr auszuüben vermögen, aber immer noch in
ihrem Machtbereich leben, in dem sie einst auf Erden regierten. Ja, diese
einstigen Könige haben sogar noch im Totenreich gewisse Thronsitze, wie man von
ehemaligen Offizieren weiß, dass sie ihre einstige Pracht und Würde nicht
vergessen und verschmerzen können und von Zeit zu Zeit ihre abgelegten Uniformen
anziehen. Nur wer einen gewissen Einblick in das Gefüge der menschlichen Seele
hat, vermag alle die ungelösten Innenbindungen zu verstehen, die sich oft
seltsam äußern, und wird nicht nur ein spöttisches Lächeln dafür übrig haben.
Denn es ist eine längst erwiesene Tatsache, dass solche, die ehemalige
politische, militärische oder sonstige Machthaber am stärksten schmähen und
beschimpfen, selber noch widerwärtiger werden, wenn sie einmal an die Macht
kommen.
Alle sind kraftlos geworden,
haben ihre Macht und Stärke, ihr Vollbewußtsein verloren und werden nur
zeitweise aufgeschreckt aus dem dumpfen, dämmernden Warten auf das Gericht. Wer
in diesem Stück die Schrift nicht wörtlich nehmen kann oder will, sondern darin
nur orientalische Bilder sieht, dem sei es unbenommen. Wir werden nicht mit ihm
streiten. Er schelte aber diejenigen nicht, die Gottes Wort so nehmen, wie es
geschrieben steht und nicht nach menschlicher Willkür und irgend einem
Lehrsystem die eine Aussage der Schrift wörtlich zu fassen, die andre hingegen
nur prophetisch oder symbolisch verstanden wissen wollen.
Eine wichtige Parallele von
Jes. 14, 9.10 lesen wir in Ps. 49, 12.14, wo geschrieben steht: "Der Mensch, der
in Ansehen ist, bleibt nicht, ergleicht dem Vieh, das vertilgt wird ... Man legt
sie ins Totenreich wie Schafe, der Tod weidet sie; und am Morgen herrschen die
Aufrichtigen über sie; und ihre Gestalt (wörtlich: ihren Trotz oder ihre
Schönheit) wird das Totenreich verzehren, fern von ihrer Wohnung (oder: ohne
dass sie eine Wohnung hat; oder: die Unterwelt wird ihr zur Wohnung; oder:
entfernt von ihrem Stolz!)". Auch aus diesem Zusammenhang ersehen wir, dass
jemand, der "vertilgt“ ist, durchaus nicht aufhört zu existieren, wie manche
meinen, keineswegs völlig ausgelöscht ist und keinerlei Wissen, Gefühl und
Empfinden mehr hat. Die Seele ist im Totenreich in einem Zustand des
Unerlöstseins; sie ist in einer Art gewaltsamer Verwahrung. Das ersehen wir z.
B. auch aus dem 15. Vers unsres Psalmes, der uns sagt: "Gott wird meine Seele
erlösen von der Gewalt des Scheols, denn Er wird mich aufnehmen (wörtlich:
herausführen!)". Gott hat über diese Dinge einen gewissen Schleier gebreitet.
Seien wir keusch und demütig in unserm Zeugnis, behaupten wir nur das, was wir
selbst gründlich in Gottes Wort geprüft und erforscht haben und lassen wir uns
den Mut schenken, unsre Unwissenheit einzugestehen, wenn wir keinen wirklich
klaren Durchblick haben. Gibt es doch so viele Stücke biblischer Erkenntnis, die
Gott gewissermaßen verhüllt hat, während andre in hellem Lichte
erstrahlen.
Wer "in den Banden des Todes"
ist, den erreichen "„Bedrängnisse des Totenreiches", und dort findet er nicht
die Ausschaltung jeglichen Bewußtseins und völliges Aufhören seiner Existenz,
sondern vielmehr "Drangsal und Kummer". Das ersehen wir aus Ps. 116, 3. Da
Gottes Wort "gefüllt", also von verschiedenen Auslegungen und Deutungen ist,
bezieht es sich nicht nur auf rein innere Vorgänge des Herzens, sondern hat auch
rein sachliche Bedeutung, weist auf sehr reale Tatsachen und zeigt in die
Zukunft. Nur in dieser Schau schließt sich die Schrift in ihrem ganzen Reichtum
auf.
Dass das Grab, das den Körper
aufnimmt, "Rachen des Scheols" genannt wird, ersehen wir aus Ps. 141, 7: "Wie
einer die Erde schneidet und spaltet, so sind unsre Gebeine hingestreut in den
Rachen des Scheols." Dass aber der Scheol ein Schattenreich der Seele ist, in
dem sich allerlei Vorgänge abspielen, geht aus vielen Zusammenhängen der Schrift
hervor. Wenn wir diese so nehmen, wie sie dastehen, und nicht nach unserm
menschlichen Gutdünken in wörtlich zu nehmende und nur bildlich zu fassende
teilen, so lernen wir gar manches über die Vorgänge im Totenreich. Bei alledem
bleibt dennoch Prediger 9, 10b bestehen, denn über allen Wesen im Scheol liegt
Lähmung und Finsternis.
Wer jedoch mit Zitaten aus
dem A.T., etwa aus dem obengenannten Buch des Predigers, Wahrheiten beweisen
will, die nur aus dem Schriftganzen und dem "wiederum stehet geschrieben" des
Neuen Testamentes bewiesen werden können und dürfen, der muß auch glauben, dass
zwischen einem Tier und einem Menschen kein Unterschied besteht, denn Prediger
3, 19b-21 sagt: "Da ist kein Vorzug des Menschen vor dem Tiere ... Alles geht an
einen Ort, alles ist aus dem Staub geworden, alles kehrt zum Staub zurück. Wer
weiß von dem Odem der Menschenkinder, ob er aufwärts fährt, oder von dem Odem
der Tiere, ob er niederwärts zur Erde hinabfährt?" Es geht eben nicht an, auf
Grund einer einzigen Bibelstelle endgültige Lehrmeinungen aufzustellen, sonst
gerät man in unlösbare Widersprüche. Das gilt besonders für den Tod und das
Totenreich.
Wer wollte, wenn er die
Schrift nur flüchtig kennt, das Vermögen Gottes bezweifeln, zu seiner Zeit und
Stunde die Totenbehältnisse zu entleeren und alle Geschöpfe, zunächst zum
Gericht, vor Sein heiliges Angesicht zu stellen? Schon der Psalmist bezeugt:
"Du, der Du uns viele Bedrängnisse und Übel hast sehen lassen, Du wirst uns
wiederbeleben und uns wieder heraufführen aus den Tiefen der Erde" (Ps. 71,
20). Und wiederum lesen wir: "Gott ist uns ein Gott der Rettungen, bei dem Herrn
stehen die Ausgänge vom Tode" (Ps. 68, 20). Das ist ein gar gewaltiges Wort!
Mögen manche Gott nur als Richter, als furchtbaren und schrecklichen Rächer
kennen, in Wahrheit ist Er, auch in allen Seinen Gerichtswegen, ein "Gott der
Rettungen“. Er hat verschiedene Ausgänge vom Tode: kurze, köstliche Gnadenwege
und lange, qualvolle Gerichtswege. Aber alle Ausgänge vom Tode stehen allein bei
Ihm. Mag der finstere Fürst des Todes auch ganze Völker in seine schauerlichen
Behältnisse sammeln, im tiefsten Grunde ist auch er, der letzte Feind, nur ein
Diener und Werkzeug des "Gottes der Rettungen“, des "Vaters der
Barmherzigkeit“.
Wenn Gott zürnt, so
verrichtet Er nach Jes. 28, 21 ein "befremdendes Werk“ und eine "fremdartige
Arbeit“, d. h. eine Arbeit, die Seiner ureigenen Art, die doch Liebe ist, nicht
entspricht, sondern fremd ist. Zu all Seinen Gerichts- und Strafprozessen hat Er
Werkzeuge (Jes. 54, 16; Spr. 16, 4), die, wenn auch unbewußt, nichts anderes zu
tun vermögen als Gottes Willen und Gedanken, die trotz des scheinbaren
Gegenteils immer nur Gedanken des Friedens und der Liebe sind (Jer. 29,
11).
Auch der Tod wird, wenn er
sein furchtbares Werk vollendet hat, jedes Geschöpf dem zurückgeben, der
absoluter Herr über alle Mächte und Gewalten ist (Offb. 1, 8: pantokrator =
Allherr), der "die Schlüssel des Todes und des Hades" hat (Offb. 1, 18) und der
"darauf sinnt, dass der Verstoßene nicht von Ihm weg verstoßen bleibe" (2. Sam.
14, 14).
Geht es uns aber nicht oft
wie dem Feind, von dem geschrieben steht, dass er "nicht glaubt an eine Rückkehr
aus der Finsternis“ (Hiob 15, 22a)? Dass eine Finsternis bereitet ist, wissen
wir aus Gottes Wort. Aber dass es eine Rückkehr aus der Finsternis gibt, dass
Gott "ein Wiederbringer aus Toten" ist (Hebr. 13, 20), der "Fluch in
Segen wandelt" (5. Mose 23, 5), "aus Drangsal Herrlichkeit" bereitet
(2. Kor. 4, 17), und "Leben aus Toten" schafft (Röm. 11, 15), das wollen
wir nicht glauben.
Gehen wir nicht oft mit irdisch-logischen Schlußfolgerungen an die herrlichen Gotteswahrheiten heran und vergessen, dass die Aussagen der Schrift in Wahrheit überlogisch sind? Wenn wir z. B. in Ps. 74, 15 von "immerfließenden Strömen“ lesen, so sollte man meinen, dass diese immerfließenden Ströme ebenso wenig austrocknen, wie der Wurm der Hölle stirbt und ihre Flamme erlischt. Aber von diesen immerfließenden Strömen steht geschrieben, dass Gott sie austrocknet! Die Ströme als solche sind immerfließend, genau wie Wurm und Feuer der Hölle immerwirkend sind, aber das Allvermögen der richtenden und rettenden Liebe übersteigt auch hier wie immer und überall das Vermögen und Unvermögen irdisch-kreatürlicher Verhältnisse und Zustände, – Gott vermag sie dennoch auszutrocknen. Wohl dem, der das glauben und fassen darf! –
Wir halten vieles für endlos
und immerwährend, was sich bei näherer Prüfung als nur äonenlang oder
zeitalterlang erweist. Wenn man z. B. in christlichen Kreisen die Frage stellte,
ob die Königsherrschaft Christi einmal ein Ende nehme und Sein Reich einmal
aufhören, so würde man wohl durchweg eine entrüstete, verneinende Antwort
bekommen. Man bekäme wohl u. a. Daniel 7, 13.14 entgegengehalten, wo wir lesen:
"Mit den Wolken des Himmels kam einer wie ein Menschensohn; und Er kam zu dem
Alten an Tagen und wurde vor denselben gebracht. Und Ihm wurde Herrschaft und
Herrlichkeit und Königtum gegeben, und alle Völker, Völkerschaften und Sprachen
dienten Ihm; Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen, und
Sein Königtum ein solches, das nie zerstört werden wird."
Wohl alle Schriftausleger
sind sich darüber einig, dass hier von dem Königtum und der Herrschaft des
Anders aber lehrt die
Schrift! Sie sagt uns, dass Christus, nachdem Er alle Herrschaft und alle Gewalt
und Macht weggetan haben wird, das Reich nicht mehr Selber regiert, sondern es
Seinem Gott und Vater übergibt (1. Kor. 15, 24). Daraus erkennen wir klar, dass
ewige Herrschaft hier nicht endlose Herrschaft bedeutet, sondern dass sie nur
zeitalterlang währt. Zum andern müssen wir feststellen, dass die Aussage von 1.
Kor. 15, 24 dem Zeugnis von Dan. 7, 14 durchaus nicht widerspricht, sondern es
nur weiterführt und ergänzt. Denn das Reich vergeht wirklich nicht (ebensowenig
wie der Wurm der Hölle stirbt und das Feuer erlischt) und wird auch nicht durch
von außen wirksame Kräfte zerstört. Aber es wird, wenn es seine Aufgabe erfüllt
hat, dem Vater übergeben. Dann hat auch die gesegnete Königsherrschaft Jesu
Christi ein Ende und der Herr geht in eine höhere Einheit mit dem Vater
ein.
Hier haben wir wieder einen
klaren biblischen Beweis, dass das "nie" im Blick auf Geschöpfliches
keineswegs bindend für Gott ist. So, wie ein Uhrmacher den gesetzmäßigen Gang
einer Uhr beliebig zu beeinflussen vermag und die Zeiger sogar rückwärts drehen
kann, so steht Gott in viel gewaltigerem Maße in jeder Beziehung über den
Naturgesetzen, den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten aller Kreatur. Ja, noch
mehr als das! Gott vermag nicht nur alles Finsterniswesen und alle
Todesauswirkungen zu überwinden und zu beseitigen, Er hat sie auch schon vor
Grundlegung der Welt zuvor ersehen und benützt sie zur Hinausführung Seiner
hohen und heiligen Liebesziele und Vollendungsgedanken, die, wenn keine Sünde
und kein Tod in die Schöpfung gekommen wären, nie in solcher Fülle und
Herrlichkeit offenbart worden wären.
Nach all dem oben Gesagten
können wir ohne weiteres begreifen, dass wir es in Markus 9 mit einem Zeugnis
über geschöpfliche Zustände zu tun haben, die das Vermögen Gottes keineswegs
irgendwie beschränken können. Die Willensziele Gottes (1. Tim. 2, 4; Phil. 2,
10.11), die in Seinem ureigenen Wesen begründet sind, werden unbedingt erreicht
werden. Nicht nur einen kleinen Teil dessen, was Gott gerne möchte, bringt Er
zustande, – nein, "alles, was dem Herrn wohlgefällt (oder: was der Herr
will), tut Er in den Himmeln und auf der Erde, in den Meeren und in allen
Tiefen" (Ps. 135, 6).
Hat Gott in Jes. 46, 10b
nicht klar und unzweideutig verheißen: "Mein Ratschluß soll zustande kommen,
und all Mein Wohlgefallen (oder: Meinen gesamten Willen) werde Ich tun (oder
vollführen)"? Und bekräftigt Er diesen unerschütterlichen Ratschluß nicht
mit den ernsten Worten: "Ich habe geredet und werde es auch kommen lassen;
Ich habe entworfen und werde es auch ausführen!" (Vers 11b)?
Wir wollen gewiß niemand eine
menschliche Meinung aufdrängen. Nichts liegt uns ferner als das! Aber was Gott
Selbst so klar und unzweideutig bezeugt, erhärtet und sogar beschwört, zu
bezweifeln, ist doch schlimmer als Kleinglaube oder Unglaube: es grenzt an
Lästerung, da man Gott dadurch zum Lügner und Meineidigen macht. Andre mögen das
nicht so empfinden. Sie mögen schwerwiegende Zeugnisse für ihre Meinung ins Feld
führen; wir verstehen das durchaus. Wir wollen weder jemanden mit Gewalt
überzeugen noch ihn wegen seiner aus der Schrift gewonnenen oder überkommenen
und übernommenen Ansicht schmähen. Aber andererseits möge man auch uns
zubilligen, in heiligem Ernst die Schrift zu prüfen, um ohne Vorbehalt und
Bindung an menschliche Systeme und Dogmen die göttliche Wahrheit zu suchen und
zu finden. Es ist ja keineswegs entscheidend, welche Lehrmeinung mehr "Anhänger“
und "Vertreter“ aufweist! Wer nur ein wenig in die Kirchengeschichte
hineingeschaut hat, wird das begreifen. Einst wird Gott alle die Seinen zur
Einheit des Glaubens, zu dem erwachsenen Mann, zu dem Maße des vollen Wuchses
der Fülle des Christus hingelangen lassen (Eph. 4, 13). Und das soll uns genügen
und trösten in all den Kämpfen und Widersprüchen der nach außen hin zerrissenen
Gemeinde Christi Jesu.
Wir bleiben bei dem
unerschütterlichen, köstlichen Zeugnis, das schon ein Hiob vor Jahrtausenden
ablegte, als er sagte: "Er (d. i. Gott) bleibt Sich gleich; wer kann Seinen Sinn
ändern? Was Seine Seele begehrt, das tut Er (oder, nach Kautzsch: Sein Wille
begehrt' s, da führt Er' s aus!). Er wird vollenden, was über mich bestimmt ist,
und dergleichen ist vieles bei Ihm (oder: solcherlei hat Er noch vieles im
Sinn)“ (23, 13.14). Mögen manche meinen, Gott lasse durch irgendein Geschöpf
Seine letzten und eigentlichen Absichten ändern: Gerichtswege kann sich der
Unglaube selber schaffen, aber Seine Ziele erreicht Gott darum doch! Er führt
hinaus, was Er zuvor geplant und bestimmt, verordnet und beschworen hat, das es
geschehen sollte. Welch ein erlösendes und beseligendes Wissen ist das inmitten
der Zerbrüche der Vorendzeit und des Versagens aller Geschöpfe!
Hat Gott vor, alle Menschen zu retten? Das wird wohl niemand bezweifeln. Ob Er es wohl auch fertig bringt? Hiob war andrer Meinung als viele Fromme der Gegenwart, wenn er frohlockend bezeugt: "Ich weiß, dass Du alles vermagst und kein Vorhaben Dir verwehrt werden kann!" Und wenn wir glauben, dass das Fleisch der Sünde doch niemals unter die Macht des Geistes kommen könne, so wollen wir doch Gott glauben, wenn Er Selbst uns zuruft: "Siehe, Ich bin der Herr, der Gott alles Fleisches; sollte Mir irgendein Ding (oder: irgend etwas) unmöglich sein?" (Jer. 32, 27).
Wenn in Christus, dem Haupt,
einmal das gesamte All einheitlich zusammengefaßt, alles gliedmäßig mit Ihm
verbunden sein wird, wie wir es in Eph. 1, 10 lesen, so bleibt weder
Notwendigkeit noch Raum für den Wurm, der nicht stirbt, und das Feuer, das nicht
erlischt. Wenn der Herr der Herrlichkeit einmal alles neu gemacht haben wird
(Offb. 21, 5), so sind auch die einbezogen, die äonenlang in der Pein der
Gottesferne litten. An erneuerten Geschöpfen haben der Wurm der Verwesung und
das Feuer des Gerichtes keine Aufgaben mehr zu erfüllen. Ist erst einmal nach
Ps. 65, 2 "alles Fleisch“ zu dem "Hörer des Gebets“ gekommen, so wird es nicht
mehr der Qual ausgesetzt sein. Anbetend werden sich die Knie aller Geschöpfe im
Namen Jesu Christi beugen, um dadurch Gott, den Vater, zu verherrlichen. Welchen
Zweck sollten dann noch Wurm und Feuer haben? Sie werden ihren schrecklichen
Dienst erfüllt haben und gleich der gesegneten, ewigen, unvergänglichen und
unzerstörbaren Königsherrschaft Jesu Christi aufgehoben werden.
Wenn Gott alles in allen ist
(1. Kor. 15, 28), wird kein Geschöpf im ganzen weiten Weltenall mehr Gegenstand
schmerzlicher, qualvoller Gerichts- und Zurechtbringungsprozesse sein. Wenn der
Tod nicht mehr sein wird, werden mit ihm auch alle seine Werkzeuge und
Auswirkungen, Wurm und Feuer, Trauer und Tränen, Schmerz und Geschrei, beseitigt
sein (Offb. 21, 4). Erst wenn der letzte Feind hinweggetan ist (1. Kor. 15, 26),
wird alles so neu und herrlich geworden sein, dass sich das prophetische Wort
des inspirierten Sehers auf Patmos erfüllt, wenn er ausruft: "Alle Kreatur,
die im Himmel und auf der Erde und unter der Erde und auf dem Meere ist, und
alles, was in ihnen ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Throne sitzt, und dem
Lamme sei die Segnung und die Ehre und die Herrlichkeit und die Macht in die
Ewigkeiten der Ewigkeiten (wörtlich: Äonen der Äonen)!" (Offb. 5, 13).
In noch vielen andern
Zeugnissen der heiligen Schriften finden wir die gewaltige Wahrheit bestätigt,
dass das sachlich oder geschöpflich bedingte "nie", "niemand" und "unmöglich"
durch die Allmacht der Liebe Gottes durchbrochen, aufgehoben und in sein
herrliches Gegenteil verwandelt wird. Hat es doch der Glaube letzten und
tiefsten Endes nicht mit irdischen, himmlischen oder höllischen Zuständen und
Verhältnissen, mit Menschen oder Engeln zu tun, sondern mit Gott Selber. Während
die Wahrheiten, die auf der israelitischen Königreichslinie liegen, mehr
geschöpflichen Charakter tragen, von Sachen und Dingen handeln, beschäftigt sich
der Glaubenshaushalt, der dem Apostel Paulus anvertraut ist und der Gemeinde des
Leibes Christi gilt, mehr mit der Person, dem Wesen und Willen Gottes. Den
israelitischen Jüngern gab der auf Erden wandelnde Herr "die Geheimnisse des
Königreiches der Himmel zu wissen" (Matth. 13, 11); aber das verherrlichte Haupt
machte Paulus und durch ihn alle, die zu Seinem verklärten Christuskörper als
Glieder berufen sind, zu Verwaltern der Geheimnisse Gottes (1. Kor. 4, 1). Dort
haben wir Offenbarung sachlicher, hier hingegen Enthüllung persönlicher
Geheimnisse; den israelitischen Jüngern teilt Gott Seine Wege mit, den Gliedern
des Christus tut Er Seine Ziele kund (vgl. Ps. 103, 7 mit 1. Kor. 2, 9-11). Das
irdische Volk der Wahl ist Träger des geoffenbarten Willens Gottes (5. Mose 29,
29), während wir, die wir ein himmlisches Erbe oder Losanteil haben (Eph. 1, 11;
2, 6), das Geheimnis Seines Willens, d. h. Seinen geheimen Willen wissen dürfen
(Eph. 1, 9). Die tiefsten und letzten Enthüllungen, die "Erkenntnis Seiner
Selbst“, d. i. den glaubensmäßigen Einblick in Sein ureigentliches Sein und
Wesen, schenkt der Vater den Gliedern Seines Sohnes durch den Geist der Weisheit
und Offenbarung (Eph. 1, 17).
Erst wenn uns diese
Zusammenhänge zum lebendigen Glaubensbesitz werden, vermögen wir in staunender
Anbetung etwas von dem Vollumfang der Heilsziele und Vollendungswahrheiten durch
den Heiligen Geist zu fassen. Möge Gott uns solches aus Gnaden schenken! –
Weil jede Gotteserkenntnis,
die etwas wesensmäßig anderes ist als ein bloßes Wissen über Gott und göttliche
Dinge, nur durch den Geist des Herrn erschlossen und mitgeteilt wird, ist es
auch völlig unmöglich, jemand von Wahrheiten, die im Charakter Gottes wurzeln,
verstandesmäßig zu überführen. Man kann das, was man an innerer Klarheit und
gottgeschenktem Durchblick besitzt, nur dankbar und demütig bezeugen, muß aber
damit rechnen, dass, je größer und herrlicher die anvertrauten Wahrheiten sind,
um so größer die Ablehnung ist, die ihnen entgegengesetzt wird.
Christusherrlichkeit und Gottesfülle gehen auch heute noch, genau wie vor
zweitausend Jahren im fleischgewordenen Wort, leidensmäßig und bekämpft über
unsre dunkle, arme Erde. Wer nicht gewillt ist, einen Weg der Einsamkeit und
Demütigung, des Verachtet- und Verleumdetwerdens um Jesu willen zu gehen, der
ist Seiner nicht wert! Ihm wird Gott das Letzte und Tiefste nie erschließen noch
ihn zum Haushalter über Seine Geheimnisse setzen. Auf jeden Fall gilt es, in
heiliger Keuschheit bezüglich der Vollendungswahrheiten das Wort aus 2. Tim. 2,
24.25 zu beachten, wo wir ermahnt werden: "Ein Knecht des Herrn soll nicht
streiten, sondern gegen alle milde sein, lehrfähig, duldsam, der in Sanftmut die
Widersacher unterweist, ob ihnen Gott nicht etwa Umsinnung gebe zur Erkenntnis
der Wahrheit.“
Glückselig der, dessen Glaube
nicht mehr an Geschöpflichem hängt, an Wunden und Geschwüren unsres natürlichen
Zustandes, am Wurm und Feuer der Hölle, an Menschen und Engeln, an Himmel und
Erde, an Tiefen und Höhen, an Gegenwärtigem und Zukünftigem, der nicht mehr an
Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten von Lebewesen höherer oder niederer Art, an
Sachen und Dingen orientiert ist, sondern allein mit der allgenügsamen,
wunderbaren Person dessen rechnet, dem nichts unmöglich ist, der alles
zuvorgeplant hat und dementsprechend auch alles herrlich hinausführt zur
Glückseligkeit Seiner Geschöpfe und zur Verherrlichung Seiner Selbst! –
Amen!
(Quelle: Schrift; Verlag Kurt
Deutrich, Neuhof/Kr. Fulda; 1934)
- Herzlichen Dank an
Wolfgang Gassler für die Bereitstellung dieser Datei! -