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Autor: Prof. Wilhelm Michaelis
Thema: Ewige Strafe - ewiges Leben / Gericht / Versöhnung der Welt

Ewige Strafe - ewiges Leben
(Matth. 25, 46)

Wie der Abschnitt Mark. 9, 43 ff. in 9, 48 in dem Zitat aus Jes. 66, 24 seinen Abschluß findet, so endet der in Matth. 25, 31 beginnende Abschnitt in 25, 46 mit einer deutlichen Bezugnahme auf Dan. 12, 2. Es heißt in Matth. 25, 46: „Und so werden sie dahingehen, diese in die ewige Strafe, die Gerechten aber in das ewige Leben." Dan. 12, 2 aber lautet: „Und viele von denen, die schlafen im Erdstaub, werden erwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu Schmach, zu ewigem Abscheu." Die Übereinstimmung ist also nicht vollständig; trotzdem wird nicht zweifelhaft sein, daß in Matth. 25, 46 an Dan. 12, 2 angeknüpft wird.

Allerdings ist nicht zu übersehen, daß der Wortschatz von Matth. 25, 46 sich vom Vorangehenden abhebt. Was in 25, 46 „ewiges Leben" heißt, das entspricht dem, was in 25, 34 als das „Reich" bezeichnet ist, und was in 25, 46 „ewige Strafe" heißt, das entspricht dem, was in 25, 41 das „ewige Feuer" genannt wird. Ein Grund jedoch zur Vermutung, daß der Schlußsatz in 25, 46 ursprünglich anders gelautet haben könnte, wird um so weniger vorliegen, als „ewiges Leben" und „Reich (Gottes)" auch sonst in den Evangelien als Parallelbegriffe begegnen.

Wie ist Matth. 25, 46 nun zu verstehen? Wenn es von den Gerechten heißt, daß sie „in das ewige Leben" dahingehen werden, so ist damit der Eingang in das Reich Gottes gemeint (vgl. 25, 34). Ganz ohne Zweifel ist gemeint, daß sie aus diesem Reich nicht wieder vertrieben werden sol­len bzw. daß ihrem Besitz des „Lebens" keinerlei Grenzen gesetzt seien. Jedoch: daß dieses Leben als ein „ewiges Leben" mit unbegrenzter Dauer aufzufassen ist, das liegt nicht an der Bezeichnung dieses Lebens als aionios, sondern daran, daß es sich um „Leben" handelt, und zwar um eschatologisch verliehenes und eschatologisch gefälltes, um himmlisches Leben (im Sinne von Luk. 20, 36). Andererseits ist zu sagen, daß auch der Begriff „ewige Strafe" (kolasis aionios) durch aionios nicht im Sinne von „endlose, unbegrenzt anhaltende Strafe" festgelegt ist. Gemeint ist, daß es sich um eine eschatologisch verhängte und auch eschatologisch abzubüßende Strafe handelt. Über ihre Dauer ist mit ihrer Bezeichnung als aionios nichts ausgesagt.

Es läßt sich in diesem Fall sogar noch etwas mehr sagen. Dem Wort kolasis und auch schon dem Verbum kolazein, von dem es abgeleitet ist, haftet durchaus der Gedanke an eine Strafe an, die der Erziehung und Besserung dessen dient, dem sie auferlegt wird, dies im Unterschied zu timoria, das mehr eine Strafe im Sinne einer Genugtuung bedeutet, wie sie der, der die Strafe auferlegt, fordern kann, weil seine Ehre verletzt oder das Gesetz übertreten ist.

Wenn kolasis aionios Matth. 25, 46 nicht „endlose Strafe", geschweige denn „endlose Pein" bedeutet, sondern eine eschatologisch verhängte Strafe, die der Erziehung und Besserung dient, dann ist das nicht nur an und für sich eine wichtige Feststellung, insofern doch davon auszugehen ist, daß Gott, wenn Er einer eschatologischen Strafe dieses Ziel setzt, dieses Ziel mit ihr auch erreichen wird. Das bisherige Ergebnis ist auch von großer Tragweite für das Verständnis des Ausdrucks pyr aionion („äonisches Feuer"), der in Matth. 25, 41 gebraucht ist und der in 25, 46 mit dem Ausdruck kolasis aionios („äonische Strafe") aufgenommen bzw. durch diesen Ausdruck abgelöst wird. Daß pyr aionion nicht „ewiges Feuer" im Sinne von „endloses Feuer" heißen kann, ist ohnehin klar. Wenn aber mit pyr aionion dasselbe wie mit kolasis aionios gemeint ist, dann kann auch dem Schicksal, das mit „Feuer" bezeichnet ist, der erzieherische und bessernde Charakter nicht fehlen.

Daß „Feuer" im Alten und im Neuen Testament an zahlreichen Stellen Bild für Läuterung ist, das ist in keiner Weise zu bestreiten. Daß allerdings der Ausdruck pyr aionion keine Vernichtung, sondern Besserung bedeuten soll, das ist ein überraschendes Ergebnis. Für Matth. 25, 41 wird sich diesem Ergebnis aber nicht ausweichen lassen. Die Frage ist, wie es mit diesem Ausdruck anderwärts bestellt ist. Er steht noch in Matth. 18, 8 und Jud. 7. Was Jud. 7 betrifft, so ist hier von Sodom und Gomorra und ihren Nachbarstädten die Rede. Von ihnen heißt es entweder, daß sie ein Beispiel darstellten mit der Art, wie sie die Strafe (es steht nicht kolasis, sondern dike) des pyr aionion auf sich nehmen mußten, oder aber (bei anderer Konstruktion des Genetivs pyros aioniou), daß sie, indem sie Strafe leiden müssen, „als ein das ewige Feuer abbildendes und voraus darstellendes Schaustück vor Augen liegen". Je nachdem man den Satz im einen oder andern Sinn versteht, verschiebt sich der Gedankengang etwas. Auf jeden Fall sind Sodom und Gomorra ja aber untergegangen, und an diese ihre Vernichtung wird auch hier angeknüpft.

Wenn gemeint ist, daß sie selbst, diese untergegangenen Städte bzw. ihre Bewohner, seitdem und bis jetzt die Strafe des pyr aionion zu leiden haben, so wäre dieser Ausdruck nicht ausschließlich im eschatologischen Sinn gemeint, und es wäre zu fragen, wie die eschatologische Auswirkung der Aussage in diesem Fall zu denken wäre. Bei der Beantwortung wäre ja wohl nicht zu übersehen, daß in Hes. 16, 55 immerhin verheißen ist: „Sodom und ihre Töchter werden zurückkehren zu ihrem früheren Stande" (vgl. Hes. 16, 53). Diese Verheißung dürfte jedoch auch im andern Fall nicht vergessen werden, falls nämlich gemeint sein sollte, der Untergang von Sodom und Gomorra sei ein warnendes Beispiel gewesen der Strafe ewigen Feuers, die einst die Gottlosen treffen werde. Überhaupt müßte man davon ausgehen, daß innerhalb des Neuen Testaments selbstverständlich damit gerechnet wird, daß über Sodom und Gomorra unbeschadet ihres seinerzeitigen Untergangs endgültig erst im Jüngsten Gericht entschieden wird. Was aber diesen Entscheid betrifft, so ist nicht zu verkennen, daß sich aus Matth. 10, 15; 11, 22; Luk. 10, 12 immerhin ergibt, daß ihr Schicksal „am Tage des Gerichts" noch lange nicht einen äußersten Grenzfall vollkommener Hoffnungslosigkeit darstellen wird.

Mit Recht macht Brunner darauf aufmerksam, daß Matth. 25, 41 nicht als Anlaß genommen werden kann, von einem „ewigen Unheilsratschluß" Gottes zu sprechen. Denn es ist sicher nicht Zufall, daß es zwar in 25, 34 heißt: „Kommt herzu, ihr Gesegneten meines Vaters! Nehmet als Erbe das Reich, das euch bereitet ist seit Grundlegung der Welt!", womit „das Heil ausdrücklich in der ewigen Erwählung begründet gelehrt wird", daß es aber in 25, 41 nur heißt: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, hin ins ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!" Es fehlt also in 25, 41 nicht nur „seit Grundlegung der Welt" (Brunner macht nur auf diesen Unterschied aufmerksam); es wird auch nicht ausdrücklich gesagt, daß es sich um „Verfluchte meines Vaters" handelt. Weder die eine noch die andere Wendung wird etwa zu ergänzen sein.

Es ist in der Tat sehr wichtig, daß auch durch Matth. 25, 34. 41 erwiesen ist, daß der ewige Ratschluß Gottes nur auf Erwählung, nur auf Segen, nicht aber auch auf Fluch abzielt.

 

Gericht

Die Verkündigung einer Allversöhnung kann, wenn sie bei dem Zeugnis des Neuen Testaments verbleiben will, niemals bedeuten, daß etwa der Gerichtsgedanke als solcher ausgeschaltet würde. Die Gerichtsaussagen sind vielmehr in ihrem ganzen Ernst beizubehalten.

Allerdings würde es ein Ausweichen vor den neutestamentlichen Aussagen nach einer anderen Seite hin bedeuten, wollte man verkennen, daß der doppelte Ausgang, den das Gericht haben kann, eine Allversöhnung keineswegs ausschließt. Wir haben bereits genügend deutlich gesehen, daß es an Belegen dafür fehlt, „daß es neben den in Christus Erretteten ... andere geben müsse, die in alle Ewigkeit von Gottes Angesicht verbannt und in trostloser Unseligkeit ewig ein Leben leben müssen, das schlimmer ist als jeder Tod" (Brunner). Weder die früher in besonderen Abschnitten behandelten Stellen Matth. 12, 32; Mark. 9, 48; Matth. 25, 46; Mark. 14, 21; Luk. 16, 26; Joh. 3, 36 noch die Stelle 2. Thess. 1, 9, die insbesondere hinter der angeführten Formulierung Brunners steht, weder der Sprachgebrauch von aionios noch die Vorstellung vom „Verlorengehen" und vom „Tod" rechtfertigen diese Kennzeichnung des doppelten Gerichtsausgangs. Doch soll nun noch gefragt werden, ob nicht auch die Gerichtsvorstellung als solche noch einen Beitrag zu liefern vermag.

Da ist zunächst darauf hinzuweisen, daß, so schroff auch die Zweitei­lung in Aussagen wie 2. Kor. 2, 15f. klingt, in der Zeit vor dem Gericht doch keine endgültige Entscheidung fallen kann. Dies gilt einmal in dem Sinn, daß auch den apollymenoi (den Verlorenen) die „Möglichkeit des Gläubigwerdens" zu keiner Zeit ihres Erdenlebens jemals gänzlich verschlossen sein kann. Es gilt dies aber auch in dem Sinn, daß auch für die Zeit nach dem Tode diese Möglichkeit offenzulassen sein wird. Brunner selbst weist darauf hin, daß 1. Petr. 3, 19 in diese Richtung zeigt. Neben 1. Petr. 3, 19 steht - vielleicht noch beweiskräftiger, weil es sich in 3, 19ff. um einen begrenzten Personenkreis handelt - die in ihrem Wortlaut und in ihrem Zusammenhang mit 4, 5 universaler wirkende Stelle 1. Petr. 4, 6. Außerdem ist auf 2. Petr. 2, 9 aufmerksam zu machen, insofern hier von einer der Besserung dienenden Bestrafung der Gottlosen die Rede ist (kolasis).

Bereits auf Grund dieser Aussagen würde man sich die Frage vorle­gen müssen, ob die Möglichkeiten, die für die Zeit zwischen Tod und Gericht demnach bestehen, in der Zeit nach dem Gericht etwa gänzlich in Fortfall kommen können. Nun liegt aber in Matth. 25, 46 eine Aussage vor, die für die Zeit nach dem Gericht eine der Erziehung und Besserung dienende Strafe ankündigt, und wir hatten gesehen, daß auch mit der Vorstellung vom pyr aionion, vielleicht auch mit der von der Geenna, ähnliche Gedanken verbunden sein werden. Insofern in Matth. 25, 46, aber auch in den Belegstellen für pyr aionion und Geenna eine klare Zweiteilung vorliegt, ist der Schluß nicht zu umgehen, daß demnach alle , die nicht sogleich das „ewige Leben" erhalten, dieser kolasis aionios, dieser erzieherischen Strafe überantwortet werden. Das würde dann bedeuten, daß das Gericht überhaupt, einschließlich des Falles der Verurteilung, ein Bestandteil des Rettungsplanes Gottes ist. Die Konsequenzen dieser Fassung des Gerichtsgedankens sind von sehr großer Tragweite.

Gewiß wird man innerhalb der Gerichtsaussagen danach zu differen­zieren haben, ob es sich um ein forensisch vorgestelltes Gericht handelt oder ob es sich um das richtende Handeln Gottes in einem mehr allgemeinen, nicht speziell oder betont forensisch gedachten Sinn handelt. Aber beides geht in der Schrift ohnehin ineinander über; daher werden auch wir es nicht scharf zu trennen brauchen. Vom Richten Gottes insgesamt wird gelten, dass es ein Instrument Seines Retterwillens ist. Vischer schreibt mit Bezug auf die Lage Israels, „daß auch und gerade in der Strafe sich Gottes Treue an Israel vollendet". „In die ausgereifte Frucht der Sünde Israels legt Gott den edelsten Samen Seiner Herrlichkeit". Ernst Gaugler bemerkt zu Röm. 5, 16: „Nur darum richtet der Vater uns am Sohne, damit Er ohne Rückhalt gnädig sein kann. Die Gnade ist immer auch schon der Sinn des Gerichtes". Stauffer betont: „Die Barmherzigkeit steht in der Rangordnung der Ziele Gottes höher als das Vergeltungsprinzip". Müssen solche Sätze nicht allgemeine Gültigkeit beanspruchen?

Vor allem: Ist es überhaupt möglich, von Gottes Richten zu sprechen, ohne Seiner Barmherzigkeit zu gedenken, und ist nicht alles Gericht und alle Verwerfung in Jesus Christus für uns vollzogen und erlitten? Was Barth mit Bezug auf Gottes Gebot sagt: „Er richtet uns, um uns unter Seiner Herrschaft für das ewige Leben frei zu machen", wird von Gottes Richten überhaupt gelten. Keinesfalls geht es an, Worte wie 1. Petr. 4, 17f., die lediglich vom Gericht sprechen, ohne weiteres als Belege gegen eine Allversöhnung und für eine ewige Verdammnis zu nehmen.

Barth schreibt mit Bezug auf Offb. 19, 20; 20, 15; 21, 8; 22, 15, aber auch Matth. 25, 41 und 5, 26: „Eine letzte , vielmehr: eine ganz neue Möglichkeit jenseits des vollzogenen Gerichts, jenseits der Bezahlung des letzten Hellers, ist aber auch in jenen Stellen den von Gott Überlieferten teils wenigstens nicht geradezu abgeschnitten , teils geradezu wenn auch in ihrer unendlichen Ferne und Tiefe in Aussicht gestellt." Daß Matth. 25, 41 und 5, 26 in diesem Sinn geltend gemacht werden können, haben wir bereits gesehen.

 

Versöhnung der Welt

(2. Kor 5, 19)

2. Kor. 5, 19 steht in deutlicher Parallele zur vorangehenden Aussage 2. Kor. 5, 18. Während es in 5, 18 heißt, daß Gott „uns durch Christus mit sich versöhnt" hat, heißt es in 5, 19: „Gott hat in Christus die Welt mit sich versöhnt."

Ist demnach von der ganzen Welt gesagt, daß Gott sie in Christus mit sich versöhnt habe, dann ist das eine Aussage, die niemand, der zur Welt gehört, von dieser Versöhnung ausschließt. Handelt es sich zwar auch nicht um eine Versöhnung des Alls wie in Kol. 1, 20, so doch um eine Versöhnung der Welt, bei der der Begriff „Welt" ohne Einschränkung zu nehmen ist. Was in Röm. 8, 19ff. und 11, 32 nicht deutlich und auch in Röm. 11, 15 nicht gemeint ist, das wird in 2. Kor. 5, 19 klar ausgesprochen, und zwar bezieht sich 2. Kor. 5, 19 auf eine bereits vollzogene Versöhnung der Welt. Daß diese wieder rückgängig gemacht werden sollte, daß sie nicht in ihrem ganzen, die Welt umfassenden Umfang aufrechterhalten bleiben sollte, daß Gott also nachträglich noch Ausnahmen machen sollte, damit ist in gar keiner Weise zu rechnen. In Christus, in Seinem Tod (vgl. 5, 21) ist die Welt bereits versöhnt, und zwar die ganze Welt.

Was in der Folge noch nötig ist, das ist nach 5, 20 allerdings dies, daß der Welt diese Versöhnung auch zur Kenntnis gebracht werde. Die Botschaft, die es zu verkündigen gilt, lautet nun zwar nicht: „Ihr seid versöhnt mit Gott"; sie lautet vielmehr: „Seid versöhnt mit Gott!" oder: „Lasset euch versöhnen mit Gott!" Es ist mithin darauf verwiesen, daß die Welt diese Botschaft noch anzunehmen hat, daß sie diese ihre Versöhnung auch annimmt, daß sie glaubt. Insofern ist hier auf die Glaubensentscheidung Bezug genommen, auf den conditionalis divinus, auf den Brunner so großes Gewicht legt. Aber das kann niemals bedeuten, daß ein Verfehlen oder Versäumen dieser Glaubensentscheidung die bereits vollzogene Versöhnung wieder aufheben müßte oder auch nur könnte. Der conditionalis divinus ist keine Bedingung, die Gott selber hindern müßte, gnädig zu sein, wenn Er gnädig sein will. Noch ganz an­ders verschiebt sich das Bild, das Brunner von diesem conditionalis divinus entwirft, wenn Eph. 2, 8, um nur diese Stelle zu nennen, bedacht wird, wo es ganz eindeutig heißt: „Aus Gnaden seid ihr gerettet durch den Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es." Denn diese Näherbestimmung kann nicht erläutern wollen, was „Gnade" heiße. Daß „aus Gnaden" nicht „aus euch" bedeuten könnte, ist so selbstverständlich, daß es nicht besonders betont zu werden braucht. Die Erläuterung will vielmehr sagen, was „durch den Glauben" bedeutet.

Es ist beizufügen, daß auch nicht etwa aus dem Begriff der Versöh­nung eine Mitwirkung des Menschen abgeleitet werden kann. Lietzmann schreibt zu 2. Kor. 5, 19: „Die Versöhnung bestand darin, daß Gott sich entschloß, den Angehörigen des kosmos die Sünde nicht anzurechnen: durch diesen Entschluß beseitigte Er die ‚Feindschaft' und den ‚Zorn' auf Seiner Seite, d. h. Er versöhnte sich. Die Kunde von Seiner nunmehrigen gnädigen Gesinnung verbreitete Er durch Seine Apostel unter den Menschen." Das „Versöhnen" sei „in erster Linie eine ‚Sinnesänderung’ Gottes: natürlich ist (wie bei jeder Versöhnung) auch eine Sinnesänderung des anderen Komponenten, des Menschen, nötig, denn wenn er bei seinem Haß gegen Gott bleibt, kommt in der Tat keine katallage zustande; aber diese Handlung des Menschen kommt erst in zweiter Linie".

Hiermit ist nun wirklich auf den Kopf gestellt, was der Apostel sowohl hier wie Röm. 5, 10f. über die Versöhnung sagt. Von einem Handeln des Menschen, durch das die Versöhnung sozusagen erst in Kraft gesetzt würde, ist in gar keiner Weise die Rede. Wir haben schon gesehen, daß 5, 20 nicht in diesem Sinn aufgefaßt werden kann. Was am Menschen geschieht, das geschieht nicht durch ihn, sondern durch Gott und durch Gott allein. Paulus schreibt, daß Gott die Welt versöhnt habe, und nicht, daß die Welt selbst, sei's auch erst in zweiter Linie, dies getan habe. Aus Röm. 5, 11 ist zu ergänzen, daß die Versöhnung etwas ist, das wir schlechterdings nur „in Empfang nehmen" können. Vor allem ist der Gedanke völlig eingetragen, daß Gott zunächst sich selber habe versöhnen müssen. Gewiß gehören zur Versöhnung, zur Aussöhnung immer zwei. Jedoch: wenn Paulus nur sagt, daß die Welt versöhnt worden sei, so ist daraus nicht zu schließen, daß er stillschweigend voraussetze, es sei „in erster Linie" eine Sinnesänderung Gottes vorhergegangen. Vielmehr sollen wir daraus erkennen, daß Gott es gar nicht nötig gehabt hat, Seinen Sinn zu ändern. Gewiß bestand vor der Versöhnung Unausgesöhntheit, Unfriede, Feindschaft; aber es war eine höchst einseitige Feindschaft. Wir waren Gottes Feinde, aber Gott war nicht auch unser Feind. Er war immer unser Freund, gleichmäßig in Liebe uns zugetan. Gott hätte zwar allen Grund gehabt, sich abzuwenden. Er hat auch gezürnt, aber es war das „Feuer Seiner zürnenden Liebe und nicht etwa Seines zürnenden Hasses" (Barth). Von Gottes „Feindschaft" uns gegenüber ist im Neuen Testament nirgends die Rede (im Alten Testament äußerst selten). Das ist gerade das Große, was Paulus verkündigt, daß Gott uns ununterbrochen in Liebe zugetan war. Dies schließt ein, daß Er auch weiterhin ununterbrochen der gnädige Gott sein wird.

(Quelle: "Versöhnung des Alls"; Verlag unbekannt; zitiert in "Gnade und Herrlichkeit"; Paulus-Verlag Karl Geyer; Heilbronn)