Karl-Heinz Ohlig

Einer oder drei?

Vom "Vater Jesu" zur Trinität (X)


Ein Defizit der Diskussion um die Trinität scheint es zu sein, daß die Ergebnisse historisch-kritischen Forschens in Bibel und Theologiegeschichte nicht genügend gewürdigt werden. Die ersten Ansätze bini- und trinitarischer Vorstellungen im hellenisierten Frühjudentum wurden als Produkt des Synkretismus von Judentum und Hellenismus vorgestellt. Das Neue Testament hat den Gott Israels und Vater Jesu verkündet und kennt keinerlei trinitarische Differenzierungen in Gott (auch die sogn. triadischen Formeln sind nicht trinitarisch zu verstehen). Lediglich in einigen wenigen Passagen wird Jesus eine Göttlichkeit zugesprochen, die Anlaß zu späterer binitarischer Reflexion geben konnte.

Das Christentum brachte aber zwei neue Aktivitätsbereiche Gottes ein: Gott handelt in Jesus und wirkt in der Kirche. Vor allem die (hellenistische) Christologie wurde bald zu einem Anstoß für die Ausbildung einer Binitätslehre. Die frühchristlichen Apologeten formulierten eine Logoslehre, die das "Wort" als eine von Gott unterschie-dene, ihm untergeordnete Hypostase behauptete; lediglich im syrischen Raum blieb es weiterhin bei dem ererbten Monotheismus (Monarchianismus). Irenäus und Tertullian versuchen, einen "innergöttlichen" Monotheismus mit einer sich in der Heilsgeschichte entfaltenden Dreiheit (mit einem "ökonomischen" Subordinatianismus) zu verbinden. Origenes verlagert die Dreiheit, und damit den Subordinatianismus, schließlich in Gott selbst hinein.

Im 4. Jahrhundert formuliert das Konzil von Nizäa die Gleichwesentlichkeit des Sohnes mit demVater, ein - wie auch die nachnizänische Diskussion zeigt - keineswegs eindeutige Lehre. Schließlich wird in der Auseinandersetzung mit Gegnern der Geist auch ausdrücklich in das Sein Gottes einbezogen. Die Formel des Basilius von dem einen Wesen und drei Hypostasen erweist sich als latent tritheistisch, wird aber nach dem Konzil von Konstantinopel zur Sprache der trinitarischen Orthodoxie in der Ostkirche.

7. Die trinitarische Entwicklung im lateinischen Westen

7.1 Das trinitarische Desinteresse

Schon die bisherige Übersicht mag deutlich gemacht haben, daß der lateinische Westen für die Ausbildung der Trinitätslehre bis hin zum Ersten Konzil von Konstantinopel keine große Rolle gespielt hat. Er nahm an den Diskussionen nur am Rande teil und war selbst von ihnen nicht bewegt; seine soteriologischen Ängste und Hoffnungen kreisten um andere Fragestellungen.[1] Das ist auch der Grund, warum er gelegentlich mäßigend und vermittelnd in die heftigen östlichen Auseinandersetzungen eingrei-fen konnte; warum sich "die Griechen" hierbei so leidenschaftlich engagierten, verstand im Westen kaum ein Theologe - von den griechischsprechenden wie Irenäus oder Hippolyt einmal abgesehen.

Wenn der Westen einmal Einfluß nahm, dann meist mit der Tendenz, die Einheit Gottes zu wahren. "Gott" war dem Westen wichtiger als Vater, Sohn und Geist. Die Notwendigkeit, die ökonomischen Funktionen Gottes zu hypostasieren, wurde hier kaum einmal empfunden.

Im Westen wurde auch der aus der östlichen Diskussion übernommene Inkarnationsgedanke weniger an einem separaten Logos (verbum) festgemacht als an Gott selbst. "Gott wurde Mensch", diese Aussage war wichtiger als "das Verbum wurde Mensch"; während im Osten das Logos-Sarx-Schema verbreitet war, bevorzugte der Westen den Deus-homo-Raster - wie die Antiochener, aber aus anderen Gründen. Er kannte also kein nennenswertes soteriologisches Interesse an einer Vermittlung des "heiligen Tausches" zwischen Unendlichkeit und Endlichkeit durch eine göttliche Zwischengestalt, den Logos. Hier stand der Mensch unmittelbar Gott gegenüber, und der Schwerpunkt dieses Verhältnisses lag nicht in der Sehnsucht nach "seinshafter" Vergöttlichung, sondern in der Erlösung von der Sünde[2]; so lautet die lateinische Version des Tauschprinzips: "Christus ist also ... zur Sünde geworden, wie wir (durch ihn, Verf.) zur Gerechtigkeit".[3]

Zwar besaßen die östlichen Dogmen Autorität und wurden gehorsam angenommen; insofern wurde auch im Westen die Inkarnation dem Verbum zugesprochen. Aber meist schon ein paar Sätze weiter ist dann wieder von dem deus incarnatus, dem menschgewordenen Gott, die Rede. Wie immer gibt es hierbei natürlich Ausnahmen. So vertritt z.B. der Nordafrikaner Laktanz (+ nach 317) eine stark von der Engellehre geprägte Logosvorstellung. Aber er ist insoweit untypisch, als er sich bei einem Aufenthalt in Kleinasien gnostische und platonische Gedanken angeeignet hatte. Jedenfalls schreibt er - wie die Apologeten - die Inkarnation dem Logos zu; allerdings ist - gnostisch - die zweite Hypostase, die aus Gott hervorgeht, der zweite "Geist", ein böses Wesen bzw. der Teufel.[4]

Die grundsätzliche Tendenz, die Einheit Gottes in den Vordergrund zu stellen, läßt sich an einigen Beispielen verdeutlichen: Sowohl Irenäus wie Tertullian greifen zwar die Justin'sche Logoslehre auf, wollen aber die hypostatische Entfaltung auch explizit auf die Ökonomie beschränken und halten für Gott selbst an einer monar-chianischen Vorstellung fest.[5] Auch in Rom selbst gab es, wie schon kurz erwähnt[6], eine deutliche Linie des Beharrens auf der Einheit Gottes - bis hin zu modalistischen Vorstellungen. Der römische Bischof Zephyrin (+ 217) gab zu trinitarischen Streitigkeiten eine Stellungnahme[7] heraus, "die allerdings nicht ganz frei von modalistischen Einflüssen war."[8] Auch sein Nachfolger Kallistus I. (+222) äußerte sich ähnlich. Zwar ist der Wortlaut seiner Thesen verlorengegangen, aber seine Meinung läßt sich aus der Polemik des Hippolyt gegen ihn erschließen.[9] Hippolyt behaup-tet, Kallistus habe ihn - auf Grund seiner Logoslehre - einen Ditheisten genannt. Kallistus sah also wohl die Einheit Gottes bedroht. Ähnlich plädierte der römische Bischof Dionysius (+268) in einem Schrei-ben an seinen bischöflichen Namensvetter in Alexandrien für die Einheit Gottes; trotz des Sprechens von Vater, Sohn und Geist dürfe die Monas, Gott, nicht in drei zerris-sen werden: "Der Reihe nach möchte ich mich aus gutem Grunde zunächst gegen jene wenden, die die heiligste Lehre der Kirche Gottes, die »Alleinherrschaftben, - aber so, daß der Logos mit dem Gott des Alls vereint ist."[10]

Nach Nizäa interpretierten die Lateiner das homo-úsios ziemlich einhellig im Sinne einer numerischen Selbigkeit des Wesens; in diesem Umstand wird wiederum das Interesse an dem einen Gott deutlich, die drei Hypostasen scheinen - abgesehen von der Bezeichnung Gottes als Vater - nicht so sehr zu faszinieren.

Schwierige Begrifflichkeit

Deswegen warf später auch die Rezeption der Theologie der Kappadokier - insbesondere das Sprechen von drei Hypostasen - Probleme auf. Im Lateinischen wurde hypóstasis mit substantia übersetzt, was z.B. für Hieronymus häretisch klang[11], und auch für Augustinus war ein Bedeutungsunterschied zwischen Usía und Hypóstasis "bisher unbekannt und deswegen überraschend".[12] Er spricht von einem Wesen (essentia) Gottes und erläutert: "Wesen heiße ich dabei das, was man im Griechischen mit ousia ausdrückt. Dafür ist bei uns das Wort Substanz gebräuchlicher: Die Griechen sprechen freilich auch von Hypostase. Doch weiß ich nicht, wie sie Usia und Hypostase unterscheiden wollen". Einige lateinische Theologen haben nach Augustinus die kappadokische Formel übernommen: "Lateinisch heißt das: Ein Wesen, drei Substanzen."[13] Zwar gab es schon die neue Übersetzung von Hypostase mit dem - im Grunde mit substantia gleichbedeutenden, aber ungebräuchlichen - Begriff subsistentia durch Marius Victorinus (+nach 362), aber sie war Augustinus noch nicht begegnet[14], obwohl er einige Schriften dieses christlich-lateinischen Neuplatonikers gelesen hatte. Deswegen konnte er mit drei Hypostasen nichts anfangen, wie Luise Abramowski hervorhebt:

"Augustin hätte tres substantiae als für lateinische Ohren unerträglich sofort abgelehnt. Boethius erweitert seine Formel noch um die üblichen tres personae, teilt aber schließlich mit, daß der kirchliche usus loquendi (Sprachgebrauch, Verf.) drei Substanzen in Gott ausschlösse. Wir sehen also, daß einhundert Jahre nach Augustin im Westen noch keine Sicherheit in der vollständigen neunicänischen Formel, eine ousia, drei Hypostasen, drei prosopa, herrscht: Daß man für die eine ousia besser essentia sage, hatte Augustin schon vorgeschlagen, und für die drei prosopa sagte man im Westen schon immer drei Personen (s. Tertullian)." Zwar habe Boethius schon das Reden von drei Subsistenzen gekannt, aber die "zu erhoffende Formel: eine essentia, drei subsistentiae, drei personae, bietet er gerade nicht."[15] Zu ihrer Ausbildung brauchte es noch länger.

Die Probleme, die der lateinische Westen mit der kappadokischen Formel hatte, sind natürlich nicht nur sprachlicher Natur: Das im Osten rezipierte Reden von drei Hypostasen hatte dort den (tritheistischen) Beiklang von "konkreter Substanz", im Unterschied zum allgemeinen Wesen; aber aus den ererbten soteriologischen Zwängen heraus war man leichter bereit, das Defizit dieser Begrifflichkeit zu akzeptieren, war es doch gerade die irgendwie festzuschreibende "Realität" der Dreiheit, die man suchte. Weil die lateinischen Theologen dieses Interesse nicht kannten, stießen sie sich an der dreifachen Substantialität, die die Einheit des unus deus beeinträchtigen konnte. Dennoch aber wurden - in unsicherer Übersetzung - die östlichen Formeln übernommen.

7.2 Zur Trinitätslehre des Augustinus

Augustinus hat mit seiner Theologie die lateinische Mentalität auf klassische Weise zur Sprache gebracht und die spätere abendländische Entwicklung, die auf der Latinität aufruhte, tiefreichend geprägt. Dies gilt auch für seine Trinitätsvorstellungen, die zwar - wie zu zeigen sein wird - in ihren Absichten den Monotheismus bewahren wollten, in ihrer Wirkgeschichte aber oft das Gegenteil provozierten.

7.2.1 Das Ausgehen von dem einen Gott

Der "Sitz im Leben" für die Trinitätsreflexionen des Augustinus ist die Spannung zwischen den lateinischen soteriologischen Interessen, die um den einen Gott kreisten, und den aus der östlichen Überlieferung überkommenen triadischen Rastern. Obwohl er an seiner Schrift "über die Dreieinigkeit", De trinitate, rund zwanzig Jahre lang, von 399 bis 419, arbeitete, handelt es sich dabei für ihn mehr um eine intellektuelle Herausforderung: Er will die Problematik einer Versöhnung von Einheit und Dreiheit in Gott, die mit der von ihm für verbindlich gehaltenen Tradition - der "fides" - aufgeworfen war, theologisch "lösen", ein die spätere scholastische Methode vorwegnehmendes "fides quaerens intellectum".[16] Nicht aber läßt sich bei ihm ein soteriologisches Interesse an der Dreiheit feststellen; im Gegenteil, im Grunde stört sie ihn, wenn er sie auch nicht zu bestreiten wagt.

Er geht - anders als die Kappadokier, die hierbei repräsentativ sind für die griechisch-christliche Mentalität - aus von dem einen Gott. Seine Bekehrung zum Christentum war verbunden mit der Abwendung vom Manichäismus, also einem dualistischen Denken, zugunsten der Hinwendung zu dem einen christlichen Gott; zugleich war diese Wende wesentlich mitbedingt durch seine Begegnung mit dem damals in Italien bekannt gewordenen Neuplatonismus und dessen Vorstellung von Gott als einer schlechthinnigen einfachen Einheit.

Augustinus nennt Gott "eine einzige Wirklichkeit" und "eine einfache und unwandelbare Substanz"[17] - hier wird deutlich, warum er nicht von "drei Substanzen" sprechen kann; substantia und essentia sind für ihn synonyme Begriffe. Ebenso aber ist für ihn Gott eine trinitas, die "einer, alleiniger und wahrer Gott" ist (unus et solus et verus deus)[18] und dennoch die Einfachheit Gottes nicht aufhebt:[19] "Wie nämlich der Vater Gott ist, der Sohn Gott ist, der Heilige Geist Gott ist, so - niemand zweifelt daran, daß es sich hier um Aussagen hinsichtlich der Substanz handelt -, so heißen wir diese erhabene Dreieinigkeit doch nicht drei Götter, sondern nur e i n e n Gott".[20] Alles, was man von Gott aussagen kann, gilt nur für seine eine Substanz. "Demgemäß ist der eine dreieinige Gott eine Substanz, eine Natur, eine Gottheit, eine Majestät und eine Herrlichkeit (...). Ihm eignet eine Wirkung und ein Wille."[21]

Augustinus lehnt die kappadokische Vorstellung - näherhin die des Gregor von Nyssa - ab, die die Trinität mit drei menschlichen Personen vergleicht, die zu einer Gattung Mensch gehören, und den drei Hypostasen unterschiedliche ökonomische Funktionen zuweisen. In Gott gibt es auch keine qualitativen oder akzidentellen Unterschiede, dies würde seine Einheit aufheben - noch ganz abgesehen davon, daß bei Gott alle "Qualitäten" mit seiner Substanz identisch sind.[22] Und es gibt auch nur ein Handeln Gottes nach außen; selbst die Inkarnation ist eine untrennbar gemeinsame Aktivität von Vater, Sohn und Geist[23], also: Gottes; die ganze Trinität nahm den Menschen (Jesus) an.[24] Die Ökonomie ist in allen ihren Aspekten von dem einen Gott und nicht von den "Personen" - denen man sie nur in einem uneigentlichen Sinn appropriieren, zueignen, kann - bewirkt.

Reinhold Seeberg faßt die Konzeption des Augustinus zutreffend zusammen: "Man wird demgemäß sagen dürfen, daß Augustin die Elemente stark empfunden hat, die (für uns, Verf.) in dem Begriff des einen persönlichen Gottes zusammenlaufen. Diesen Begriff selbst hat er so wenig als ein anderer antiker Denker gebildet."[25] Wenn man so will, reetablierte Augustinus unter dieser Hinsicht den ursprünglichen Monotheismus.
7.2.2 Die formalisierte Etymologie bzw. die relationale Trinitätskonzeption

Wenn Vater, Sohn und Geist nicht mehr ökonomische Größen, sondern "von Ewigkeit her" sind, wird eine Erklärung ihrer Eigentümlichkeit problematisch. Diese Entwicklung hatte mit Origenes begonnen, der Sohn und Geist als innergöttliche Größen ansah, aber dem Problem noch entging, indem er die ökonomischen Funktionen wie Weltkonstitution - in einer ersten, vorzeitlichen Schöpfung - und Christologie - in der ebenso vorzeitlichen Entscheidung der Seele Jesu zum Logos - in die Präexistenz verlegte und so in Gott selbst verschiedene Stufungen vornahm. Nizäa hatte diesen Weg mit der Lehre von der Homo-usie des Sohnes mit dem Vater verlegt, aber in Gott noch zweie angenommen, die doch noch gewisse Unterschiede - wenn auch nur das Vater- und Sohnsein - und ökonomische Funktionszuweisungen kannten. Seit den Kappadokiern wurde auch der Geist in Gott integriert und die Formel von dem einen Wesen in drei Hypostasen etabliert; letztere besaßen zwar durchaus noch spezifische heilsgeschichtliche Funktionen, gehörten aber auch schon "vorher" zu dem einen Wesen Gottes. Jetzt wurde es notwendig, ihre "ewigen" Besonderheiten zu reflektieren; hierbei blieb nur der Rückgriff auf die bloßen Begriffe Vater, Sohn und Geist, die etymologisch ausgelegt und von Gregor von Nyssa schon in ihrer formalen Struktur als relationale Begriffe erkannt wurden.[26]

Augustinus schließlich lehnte jede ökonomische Hilfestellung für die Umschreibung der Besonderheiten der Dreiheit ab. Es gibt nur ein Handeln Gottes nach außen. Ebenso waren für ihn "qualitative", das hieße bei Gott: substantielle, Unterschiede der Personen undenkbar.

Dennoch aber mußte er - das war für ihn Glaubenslehre - ausgehen von den drei Personen, wenn er auch diesen Begriff nicht mochte.[27] Worin aber besteht dann ihre jeweilige Eigentümlichkeit, wie sollte er dann doch noch die personalen Besonderheiten erklären? Auch ihm blieb nichts anderes - weil prinzipiell in diesem Fall nichts anderes mehr zur Verfügung steht - als der Rückgriff auf die etymologische Bedeutung von Vater, Sohn und Geist und anderer biblischer Würdenamen sowie deren formale Eigenart: der relationale Charakter dieser Begriffe. Also lehrte er die Personen als relationale "Realitäten".

Zu diesem Vorgehen mag ihn, zusätzlich, eine zweite Überlegung motiviert haben, die sich aus der Eigenart der damaligen philosophischen Reflexionen ergab. Einen Hinweis darauf gibt - noch viel später - Boëthius (+524 oder 526). Er hatte in christologische Auseinandersetzungen eingegriffen und hierbei versucht, den Begriff Person, dessen Verständnis bei Augustinus noch nicht eindeutig ist, zu definieren als individua substantia rationa(bi)lis naturae, als "individuelle Substanz geistiger Natur".[28] "Person" wäre also geistige Individualität, und diese gab es nach Boethius in Jesus Christus nur einmal: als Person des göttlichen Verbum.[29] Obwohl er auch ein Opusculum zur Trinität verfaßte[30], vermied er es, diese Definition auch hier ins Spiel zu bringen, weil das - drei "Individualitäten" - ein tritheistisches Verständnis nach sich gezogen hätte. Wohl ein wenig besorgt, daß andere so verfahren könnten, schließt er sich näher an Augustinus und seine relationale Trinitätslehre an: "Vater, Sohn und Heiliger Geist werden von der Gottheit nicht in substantieller Weise ausgesagt, sondern anderswie ... Es ist aber klar, daß es sich (bei den göttlichen Relationen, Verf.) um eine Aussage ad aliquid handelt ... Man kann Gott daher nicht einmal die Trinität in substantieller Weise zuschreiben ..."[31]

Substanzbegriff und Relationsbegriff

Hinter diesen Ausführungen stehen Überlegungen, die schon Augustinus erwogen hatte: Wenn Gott ganz als einfach und einer gedacht wird, kann es in ihm weder substantielle noch akzidentelle Pluralität geben: "Wenn sonach auch keine Aussage über Gott ein Akzidens betreffen kann, weil es ein solches bei Gott nicht gibt, so betrifft doch nicht jede Aussage über ihn die Substanz ... Wenn daher auch Vater und Sohn verschieden sind, so liegt doch keine Substanzverschiedenheit vor".[32] Um dennoch von einer Dreiheit sprechen zu können, bot sich der Relationsbegriff an: "Denn die Bestimmungen Vater und Sohn betreffen nicht die Substanz, sondern eine Beziehung".[33] Diese umschreibt ein esse ad oder, wie Boëthius sagt, ein esse ad aliquid, d.h. also ein "Sein in bezug auf (etwas)". Nach dem damaligen philosophischen Denken, das seine Begriffe anhand des vorfindlichen bzw. kosmischen Seienden bildete, tangierte eine solche Relation nicht das Sein selbst, die Substanz, und stellte auch keine Qualität eines Seienden dar: Ein hölzerner, vierbeiniger, brauner Tisch bestimmter Ausmaße und Gestaltungsmerkmale z.B. verändert weder seine "Substanz" noch seine Qualitäten, wenn er seine räumliche Relation - er steht in einem Raum oder draußen vor der Tür - oder seine Funktion - er dient als Eß- oder Schreibtisch - verändert: "eine beziehentliche Bestimmung (ist) keine substanzielle".[34] Anders sähe dies aus bei einem - heute verbreiteten - Relationsverständnis, das diese vom Menschen her, also intersubjektiv denkt: intersubjektive (personale, soziale o.ä.) Relationen verändern - in Freundschaft, Liebe, Haß, Verantwortung usf. - die Subjekte tiefreichend. Für Boëthius und Augustinus konnten aber mittels des Relationsbegriffs "Wirklichkei-ten" umschrieben werden, die das Sein Gottes anscheinend nicht tangieren. Er diente also dem Anliegen, die Einheit Gottes weiterhin als gänzlich einfach und von Pluralität unberührt zu verstehen; er sollte den Monotheismus - trotz des Redens von Vater, Sohn und Geist - begrifflich, näherhin philosophisch-theologisch, absichern.

So führt Augustinus aus: "Die Aussagen jedoch, welche in eigentümlicher Weise je eine Person in der Dreieinigkeit betreffen, besagen keine absolute Wirklichkeit, sondern das Verhältnis der drei Personen zueinander oder ihr Verhältnis zur Schöpfung."[35] Oder: "Vater ist also ein beziehentlicher Ausdruck, ebenso Urgrund oder allfallsige sonstige Bezeichnungen ... Weiterhin ist Sohn ein beziehentlicher Ausdruck, ebenso Wort und Bild"[36], und auch der Geist ist "eine beziehentliche Bezeichnung, da der Heilige Geist eine Beziehung zu Vater und Sohn einschließt".[37] Der trinitarische Relationsbegriff ist also zum ersten die formallogische Struktur aller zur Umschreibung der Dreiheit zur Verfügung stehenden Symbolbegriffe, vor allem von Vater, Sohn und Geist, zum anderen dient er Augustinus zur Abwehr aller substantiell zu deutenden Dreiheit und damit zur Wahrung des Monotheismus. Der Relationsbegriff erscheint wie die äußerste Möglichkeit, gerade noch eben sprachlich eine Dreiheit festhalten zu können, ohne die Einfachheit Gottes zu pluralisieren.

Letztere Absicht ist allerdings nicht ganz erreicht: Die Trinität sollte ja nach der Tradition, die als normativ galt, eine göttliche Realität darstellen, und so fügt Augustinus hinzu, daß die Trinität der eine Gott ist.[38] Darüberhinaus führt diese Begrifflichkeit aber auch in die Aporie: Wie können bloße Relationen, die ja Beziehungen von jemand/etwas zu jemand/etwas sind, ihre Ausgangs- und Bezugspunkte, die Personen, zuallererst konstituieren?

Wenn es keine "Person" in Gott - unter Absehung von den Relationen - gibt, sondern die Relationen die Personen sind, wie kann das gedacht werden? Wer/was hat dann zu wem/was eine Beziehung, da doch das "Wer/was" ohne Beziehung nicht existiert?

Der Hinweis auf das Mysterium Gottes ist hier unangebracht, weil die Prozesse und Überlegungen, die zur trinitarischen Anwendung des Relationsbegriffs führten, durchaus in allen Stadien und Gesichtspunkten verstehbar sind; vielmehr läßt sich erkennen, daß die neue trinitarische Begrifflichkeit eben das nicht leisten kann, was sie leisten soll.

Die Insuffizienz von Begriffen und Definitionen ist nichts anderes als eben logische Insuffizienz und keinerlei Verweis auf ein göttliches Geheimnis. Mehr noch: Die begriffliche Unzulänglichkeit gründet in der Unlösbarkeit der "Sache": die von der östlichen inkulturierten christlichen Theologie her erforderliche Dreiheit, die mittlerweile ihre ökonomische Begründung eingebüßt hatte, so mit dem westlichen einen Gott und der Einfachheit seiner Substanz zu verbinden, daß sie nicht nichts ist und dennoch nicht die Einfachheit Gottes beschädigt - eine aporetische Aufgabenstellung.

(wird fortgesetzt)

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[1] Vgl. hierzu vom Verf., Fundamentalchristologie, a.a.O. 147-150.
[2] Vgl. hierzu vom Verf., Fundamentalchristologie, a.a.O. 343-362.
[3] Augustinus, Enchir. ad Laurentium sive de fide et spe et caritate 13, 41 (um 423, deutsch: TzT 4,1, Nr. 149); vgl. auch M. Luther, Brief an Georg Spenlein (1516): "Du, Herr Jesus, bist meine Gerechtigkeit, ich aber bin deine Sünde ... du hast angenommen, was du nicht warst, und mir gegeben, was ich nicht war" (deutsch: TzT 4,2, Nr. 200).
[4] Vgl. Epitome 37: "...Im Anbeginn, vor Grundlegung der Welt, hat Gott aus dem Quell seiner Ewigkeit ... sich selbst einen Sohn erzeugt ... Dieser ist die Kraft und Vernunft Gottes ... Und von allen Engeln, die Gott aus seinem Hauche gebildet hat, ist er allein ... Gott benannt worden ... Über den ersten und zweiten Gott hat auch Plato ... sich ausgesprochen" (deutsch: TzT 4,1, Nr. 77). Vom zweiten Geist, den Gott aus sich hervorbrachte, sagt er in Div. inst. II 8,7, er sei der Teufel.
[5] Vgl. o. ###.
[6] Vgl. hierzu o. 50.
[7] Referiert von Hippolyt, ref. IX 11,3.
[8] L. Scheffczyk, a.a.O. 175.
[9] Ref. IX 12,15-19; vgl. o.A. 188.
[10] Brief gegen die Sabellianer (zwischen 259-268?), bei: Athanasius, Ep. de decret. Nic. Syn. 26 (deutsch: TzT 4,1, Nr. 73).
[11] Vgl. Epist. 15 ad Damasum.
[12] Luise Abramowski, Zur Trinitätslehre des Thomas von Aquin, in: ZThK 92, 1995, 473, mit Verweis auf Augustinus, De trin. VII 4,9.
[13] De trin. V 8, 9.10 (deutsch: 2. Reihe, Bd. XIII, München 1935, 200.201).
[14] Vgl. hierzu L. Abramowski, ebd.
[15] Ebd. 474.
[16] R. Seeberg, Lehrbuch der Dogmengeschichte, 2. Bd., a.a.O. 154, meint: "Nicht die griechische Theologie und auch nicht eigentlich die nizänische Synode ist für ihn maßgebend, sondern die Autorität der Schrift, die er rational zu begründen sucht." Dies ist lediglich zutreffend, wenn man die Absichten des Augustinus beschreiben will. Der Sache nach aber liest er die Schrift von der späteren griechischen Theologie her; anders hätte er keine Probleme gehabt.
[17] De trin. XV 17 (deutsch: TzT 2,1, Nr. 111).
[18] De trin. I 2,4 (CCL XVI, 1,31).
[19] De civ. dei XI 10; vgl. de trin. V 7,9; 11,12; VIII 1.
[20] De trin. V 8,9 (deutsch: BKV a.a.O. 199).
[21] R. Seeberg, Lehrbuch der Dogmengeschichte, 2. Bd., a.a.O. 155.
[22] Vgl. De trin. V 5,6.
[23] De trin. II 5,9: "Sic ergo intelligat illam incarnationem et ex virgine nativitatem in qua filius intellegitur missus una eademque operatione patris et filii inseparabiliter esse factam, non undique separato spiritu sancto ..." (CCL XVI, 1, 91): "So möge er (jemand, der Einwände hat, Verf.) folglich einsehen, daß die Inkarnation und die Geburt aus der Jungfrau, in der der Sohn als gesandt erkannt wird, durch ein und dieselbe Handlung von Vater und Sohn auf untrennbare Weise erfolgt ist, und diese nicht vom heiligen Geist getrennt ist".
[24] Ep. 11,2.
[25] Lehrbuch der Dogmengeschichte, 2. Bd., a.a.O. 157.
[26] Vgl. o.
[27] Vgl. De trin. V 9,10.
[28] Vgl. hierzu u. ###.
[29] Vgl. Verf., Fundamentalchristologie, a.a.O. 294.
[30] Opuscula Sacra: Ob Vater, Sohn und Geist in substantieller Weise von der Gottheit ausgesagt werden (um 520).
[31] Deutsch nach: Gotteslehre II. Bearbeitet von Herbert Vorgrimler (Texte zur Theologie, Dogmatik, Bd. 2,2 [zitiert: TzT 2,2]), Graz, Wien, Köln 1989, Nr. 113.
[32] De trin. V 5,5 (deutsch: BKV, a.a.O. 192.193).
[33] Ebd. V 5,6 (deutsch: ebd. 193).
[34] Augustinus, De trin. V 7,8 (deutsch: ebd. 196).
[35] Ebd. V 11,12 (deutsch: ebd. 203). Für dieses "Verhältnis zur Schöpfung" ist R. Seebergs (a.a.O. 159) Beobachtung zuzustimmen: "Aber diese Seite dient jedenfalls nicht als Orientierungspunkt in der Betrachtung, diese hält sich als ganze innerhalb der >>immanenten Trinität<<".
[36] De trin. V 13,14 (deutsch: a.a.O. 205.206).
[37] Ebd. V 11,12 (deutsch: ebd. 203.204).
[38] Vgl. De trin. I 2,4.