Am 2.November werden in einigen Regionen in Süddeutschland und Österreich spezielle Hefezöpfe und Brote gebacken, die ursprünglich zur Stärkung ganz besonderer Besucher gedacht waren: Tote, die an diesem Tag, auch „Allerseelen“ genannt, aus dem Fegefeuer zurückkehren und die Erde besuchen [*]. Die Idee, dass an bestimmten Tagen die Grenze zwischen Lebenden und Toten offen sein sollen, hat keltisch-heidnischen Ursprung (Samhain). Das Fegefeuer jedenfalls soll dabei nach Vorstellung der Katholischen Kirche zur Läuterung nach dem Tod dienen – für Christen, von denen noch Sünden hinfort „gefegt“ werden müssen, bis sie bereit sind für den „Himmel“. Diese Vorstellung einer Zwischenwelt lebt auch in Form des Gruselfaschings Halloween [*] wieder auf: Der Name Halloween entstammt dem englischen All Hallows’ Even: Abend vor Allerheiligen. Allerheiligen ist der Tag vor Allerseelen, an dem dieser Tag mancherorts beispielsweise durch Gräbersegnungen vorbereitet wird. Die Katholische Kirche hat im Mittelalter den Volksglauben, dass man das Wohlergehen der Toten beeinflussen könne, zu einem florierenden Handel gemacht – den Ablasshandel. Nach dem Motto „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt“ [*] versprach die Kirche, dem Toten zu geben, was ihm fehlt, um vor Gott gerecht dazustehen oder ihm zumindest Linderung bei Strafen zu verschaffen, die er womöglich erleidet.
Obwohl der Handel mit Ablässen später selbst innerhalb der Kirche in Verruf kam, meint die katholische Kirche immer noch, Gnadengaben nach ihrem Gutdünken an die Lebenden und die Toten „vermitteln“ zu können. Biblisch ist dagegen, dass ausschließlich der Glauben Christi zur Errettung und Vergebung führt; Gnadengaben sind zudem Geschenke Gottes, die weder verdient noch vermittelt werden können. Die Bibel sagt außerdem, dass Tote nicht leben, sondern bis zur Auferstehung in einem Zustand ohne Empfindungen dahin dämmern.
Soweit wird es den meisten Lesern klar sein. Aber wie sieht es damit aus, dass Feuer Christen läutern könnte? Sagt die Bibel an irgendeiner Stelle, dass Feuer schlechte Taten „hinwegfegt“, es also ein „Fegefeuer“ gibt? Lesen wir dazu:
Denn Gottes Mitarbeiter sind wir, Gottes Ackerfeld seid ihr, ja das Gebäude Gottes. Gemäß der mir von Gott gegebenen Gnade lege ich als weiser Werkmeister den Grund, ein anderer aber baut darauf weiter. Ein jeder aber gebe Obacht, wie er darauf baue! Denn einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, und der ist Jesus Christus. Ob nun jemand auf diesem Grund Gold, Silber und kostbare Steine aufbaut oder aber Holz, Gras und Stroh: eines jeden Werk wird offenbar werden; denn der Tag wird es offenkundig darlegen, weil es in Feuer enthüllt wird. Und welcher Art eines jeden Werk ist, das wird das Feuer prüfen. Wenn jemandes Werk bleiben wird, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn erhalten. Wenn jemandes Werk verbrennen sollte, so wird er ihn verwirken: er selbst aber wird gerettet werden, jedoch nur so wie durch Feuer hindurch.
Folgende Aussagen sind in diesem Text enthalten:
- Paulus spricht „Gottes Mitarbeiter“ an, nicht Ungläubige. Paulus legt den Grund, der Christus ist. Es kommt nun darauf an, wie jeder Gläubige darauf weiter baut. Ob er falsche Lehren daraus entwickelt hat und was er denkt und tut.
- Die Läuterung dessen wird mit einem Feuer verglichen. Sind unsere Taten, also im Bild die verwendeten Werkstoffe, feuerfest, wie Gold, Silber und Edelsteine, werden sie bleiben und der Gläubige wird Lohn dafür erhalten. Andere Werke und Lehren werden verbrennen.
- Jener Christ wird zwar gerettet werden, aber wie durch Feuer hindurch. Gott selbst wird übrigens in Hebr. 12,29 verzehrendes Feuer genannt.
- Dies wird „an dem Tag“ stattfinden, der alles offenbaren wird. Ein Ort ist nicht genannt, es ist vielmehr eine Vorgangsbeschreibung, bei der Feuer nicht buchstäblich an dem Gläubigen zerrt, so es in alten Malereien ausgeschmückt wird, denn es wird „so wie“ durch Feuer sein.
- Nirgendwo ist außerdem ausgesagt, dass man durch Gebete oder Spenden an die Kirche diesen Prozess in irgendeiner Weise beeinflusse könnte. Unterstellt man, dass Gott mit diesem Vorgang ein bestimmtes Ziel verfolgt, wäre eine Änderung auch wenig sinnvoll.
Dennoch ist hier von einer Prüfung bzw. Läuterung die Rede, deren Einordnung in den Kontext der paulinischen Botschaft der Gnade Fragen aufwirft. Christen sind doch nur durch Glauben gerechtfertigt, wozu noch eine Läuterung? Oder ist dies gar ein Gericht? Eine Verurteilung aber gar nicht mehr möglich (Römer 8,1; 8,33), weil wir eben schon gerechtfertigt sind. Welche Basis sollte ein Gericht auch haben, denn Gott schafft doch beides, das Wollen und das Vollbringen (Phil. 2,13). Diese Fragen versucht der folgende Text ebenso zu beantworten, wie die, wann und warum dies stattfinden wird.
Die Grundlage
In 1. Kor. 3,11 spricht Paulus von einer Grundlage, die er in Christus gelegt hat. Was gehört dazu?
Denn in der Gnade seid ihr Gerettete, durch Glauben, und dies ist nicht aus euch, sondern Gottes Nahegabe, nicht aus Werken, damit sich niemand rühme. Denn wir sind sein Tatwerk, erschaffen in Christus Jesus für gute Werke, die Gott vorherbereitet, damit wir in ihnen wandeln.
Gläubige sind gerettet durch die Gnade Gottes, also wurde die Rettung unverdient geschenkt. Dieses Geschenk kann niemand mehr verlieren, da die dazu Auserwählten mit dem Heiligen Geist versiegelt worden sind (Eph. 1,13, Rö. 8,30). Werke, in denen wir wandeln, sind von Gott vorherbereitet.
weil wir aber wissen, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben Christi Jesu, so glauben auch wir an Christus Jesus, damit wir aus dem Glauben Christi und nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt werden; denn aus Gesetzeswerken wird von allem Fleisch niemand gerechtfertigt werden.
Gläubige sind durch den Glauben Christi gerechtfertigt vor Gott, sie sind also gerecht gesprochen wegen erwiesener Unschuld. Rechtfertigung und Rettung sind die Grundlage der Gläubigen, der Stand vor Christus. Es kann auch nicht mehr um die Vergebung von Sünden gehen, denn diese sind auch bereits von uns genommen (Eph. 1,7). Allein durch Glauben geschieht dies, gute wie schlechte Werke verändern daran nichts. Wie auch, denn auch das Wollen wird von Gott bewirkt:
Denn Gott ist es, der beides in euch bewirkt: das Wollen wie auch das Wirken nach seinem Wohlgefallen.
Wie kann es aber dennoch sein, dass Werke wie durch Feuer geprüft werden? Schließlich kennt die Bibel einen freien Willen für Menschen nicht [*]. Versuchen wir eine andere Betrachtungsweise:
Unser Leben als Kampf mit dem Ziel der Vollendung
Paulus vergleicht unser Leben mit einem Ringkampf, der mit einem Siegeskranz gekrönt werden kann:
Den edlen Ringkampf habe ich gerungen, den Lauf habe ich vollendet, den Glauben habe ich bewahrt. Hinfort ist mir der Siegeskranz der Gerechtigkeit aufbewahrt, mit dem der Herr, der gerechte Richter, es mir an jenem Tage vergelten wird; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die Sein Erscheinen geliebt haben.
Hier ist wieder von „jenem Tag“ die Rede, an dem ein „Kranz“ nach einem Kampf im Sinne einer Belohnung verliehen wird. Dieser Kranz wird allen verliehen, die Sein Erscheinen herbeisehen, also unabhängig davon, wie sie ihren Glauben ausleben konnten. Einen ähnlich sportlichen Vergleich zieht Paulus auch in:
Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber nur einer den Kampfpreis erhält? Lauft nun so, dass ihr ihn ergreifen könnt! Jeder Wettkämpfer ist in allem enthaltsam: jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz erhalten mögen, wir dagegen laufen für einen unvergänglichen.
Dies ist uns geschrieben zum Ansporn, nicht etwa nachlässig zu werden. Wie Sportler sollen wir enthaltsam sein und ehrgeizig. Freilich wird nicht nur einer einen Preis erhalten. Wir sollten aber so leben, als ob es so wäre. Unser Ziel ist mit Anstrengung verbunden!
Ihr Männer, liebt eure Frauen, so wie auch Christus die herausgerufene Gemeinde liebt und Sich Selbst für sie dahingegeben hat, um sie zu heiligen: sie reinigend durch das Wasserbad in einem Ausspruch Seines Mundes, damit Er für Sich Selbst die herausgerufene Gemeinde herrlich darstelle, so dass sie keinerlei Flecken, Runzel oder irgendetwas solcher Art habe, sondern heilig und makellos sei.
Der griechische Begriff für „Reinigen“ steht hier in der griechischen Verbform Aorist, was bedeutet, dass ständiges Reinigen notwendig ist. Dies entspricht auch unserer Lebenserfahrung. Es ist ja keineswegs so, dass wir uns nicht mehr schuldig machen an unserem Nächsten oder dass Christen das Wort Gottes immer in rechter Form verkünden. Jeder Christ sammelt also auch Holz und Stroh an. Oft ohne, dass wir das ahnen. Dies muss abgewaschen oder hinweggefegt werden, hier im Vergleich in einem Wasserbad; in 1. Kor. 3 mit Feuer. Daher ist der Begriff „Fegefeuer“ zwar nicht biblisch, aber er beschreibt im Wortsinn diesen Vorgang recht zutreffend, wäre er nicht mit unbiblischem Inhalt gefüllt worden.
so wie Er uns in Ihm vor dem Niederwurf der Welt auserwählt hat, damit wir Heilige und Makellose vor Seinem Angesicht seien.
Die Gläubigen wurden dazu auserwählt, heilig und makellos zu werden. Es ist nicht unser Verdienst!
Die Auswahl und Berufung erfolgte schon vor unserer Geburt (Römer 9,11), beispielsweise wurde Jeremia vor seiner Geburt auserwählt, ein Prophet zu werden (Jer. 1,5). Da die Auserwählung auch für jeden anderen Christen immer für konkrete Aufgaben erfolgt, sowohl hier auf der Erde, wie auch im äonischen Leben, ist ausgeschlossen, dass sich jemand mit guten Werken einen Vorzug erarbeiten könnte, wie auch immer der vorstellbar wäre. Dies ist auch deshalb nicht denkbar, weil unsere Werke, für die wir von ihm befähigt worden sind, doch von Gott gewirkt sind. Der Lebenslauf jedes Christen wird von Gott also derartig gestaltet, dass er die Lektionen, die für die ihm zugedachte Aufgabe nötig sind, lernt.
Paulus deutet dabei an, dass ein dorniger, leidensreicher Weg hier auf der Erde der Zubereitung für entsprechende Aufgaben dient:
Glaubwürdig ist das Wort: Denn wenn wir auch mitstarben, werden wir auch mitleben. Wenn wir erdulden, werden wir auch mitherrschen, wenn wir verleugnen, wird derselbe auch uns verleugnen.
Hier weist Paulus darauf hin, dass ein Erdulden schwieriger Umstände hier auf ein zukünftiges Mitherrschen hindeutet. Dieses Leiden steht besonders denen bevor, die sich zu Christus bekennen und gegen den Strom schwimmen (2. Tim. 1,8; 2,3).
Die zeitliche Einordnung der Vollendung
und ich habe eben dies Vertrauen, dass Er, der unter euch das gute Werk angefangen hat, es bis zum Tage Jesu Christi auch vollenden wird.
Hier ist von einem Wachstumsprozess die Rede, der am Tage Jesu Christi abgeschlossen sein wird. Das gute Werk ist Christus in uns, eine innere Umgestaltung, die am Tag Christi vollendet wird.
Der [Christus, der] euch auch Stetigkeit verleihen wird bis zur Vollendung, damit ihr am Tage unseres Herrn Jesus Christus unbeschuldbar seid.
Das Ziel unseres Lebens hier auf Erden ist die Vollendung, die wiederum ein Beginn ist, für das was folgt. Alle unsere Erfahrungen, die gemacht werden mussten und konnten, alles Tun und Wirken wird entwirrt und fügt sich zu einem Ganzen. Es kommt zur Vollendung. Dies geschieht am Tag Christi – an dem Tag, an dem Christus für die herausgerufene Gemeinde sichtbar wird und sie holt. Es ist der Tag der Entrückung:
Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenstoß. Denn Er wird posaunen, und die Toten werden auferweckt werden, unvergänglich, und wir werden verwandelt werden.
An diesem Tag werden die Toten auferweckt. Vorher sind sie also tot und empfinden daher auch nichts, was ausschließt, dass sie im Tod Fürbitte nötig hätten, siehe auch 1.Thess. 4,16-18. Die Lebenden wie auch die Toten werden verwandelt werden. Diese Verwandlung ist ein Geheimnis, war also vorher unbekannt, nicht etwa die Entrückung als solche. Nach der Verwandlung sind die Gläubigen vollendet; dieser Tag Christi ist also unser Tag der Vollendung! An diesem Tag werden falsche Werke und Mangelhaftes, alles was aus falschen Motiven wie Eitelkeit getan wurde und was noch nicht korrigiert worden ist, endgültig von uns genommen, wie mit Feuer hinweggefegt. Ein Fegefeuer auch der Eitelkeit. Dies wird zu einem Erkenntnisgewinn führen, all das, was wir unseren Mitmenschen bewusst oder unbewusst angetan haben, wird uns wohl zum Zweck des Lernens offenbar gemacht. In erster Linie aber dient diese Zubereitung der Gemeinde der Verherrlichung Gottes (Kol. 1,22) und führt zu unserer Befähigung für die zukünftigen Aufgaben, die für jeden in anderer Form vorgesehen sind. Daher wird dieser Tag in der Bibel auch „Tag der Freilösung“ genannt (Eph. 4,30) – denn neben der Freilösung von der Vergänglichkeit werden wir auch von unseren schlechten Werken und deren Folgen befreit. Der aus Staub (1. Mose 3,19) bzw. Materie bestehende jetzige Körper, ein Kennzeichen des Adam, wird durch den „letzten Adam“, der Christus ist, in einen geistlichen Körper verwandelt werden (1. Kor. 15,44f).
Diese Entrückung wird vor dem Anbruch des Millenniums stattfinden, denn wir haben eine frühere Erwartung als Israel (Eph.1, 12). Es hat mit der Auferstehung für Israel, zum Leben und zum Gericht, nichts zu tun (Joh.5, 29).
Dieser Prozess wird in ganz ähnlicher Form auch für Ungläubige durchgeführt werden, nämlich vor dem „großen weißen Thron“, lange nach der Verwandlung der Christen [*]:
Das Meer gab die Toten her, die darin waren, und der Tod und das Ungewahrte gaben die Toten her, die darin waren; und sie wurden verurteilt, ein jeder nach seinen Werken. Der Tod und das Ungewahrte wurden in den See des Feuers geworfen. Dies ist der zweite Tod: der See des Feuers.
Ungläubige werden nach ihren Werken beurteilt. Danach müssen sie in den zweiten Tod, der mit Feuer als Bild der Läuterung verglichen wird. Diese Läuterung wird so intensiv sein, wie es ihre Werke erfordern. Kurios ist, dass der Kirchenvater Augustinus und in der Folge fast alle katholischen Kirchenmänner das Fegefeuer als Läuterung für Gläubige nach dem Tod in ihr Dogmensystem aufnahmen, eine Läuterung für Ungläubige nach dem Tod aber kategorisch ausschlossen. Wahrscheinlich war dabei die Strategie, die hilfreiche Höllenlehre nicht allzu unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Da der zweite Tod am Ende der Zeit aufgehoben wird (1. Kor. 15,26), werden letztlich alle Menschen gerettet werden, Christen sind zur Rettung nur vorgezogen (2.Thess. 2,13).
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Exkurs „Preisrichterbühne“: siehe hier